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Der werfe den ersten Stein

Der werfe den ersten Stein

Titel: Der werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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worden war.
    »Eine Zeit lang hatten wir hier drei Häuser gleichzeitig«, sagte er. »Jetzt haben wir gar keins mehr. Ich kann nicht verstehen …«
    Der Mann beendete den Satz nicht.
    Elina Wiik begriff, dass sie heute viele traurige Sozial­demokraten würde anhören müssen. Solange sie mich nicht von der Arbeit abhalten, macht es nichts, dachte sie. Vielleicht erfährt man ja auch nebenbei etwas Wichtiges.
    Ihr fiel es nicht schwer, die Gefühle der Menschen zu verstehen. Der Mann vor ihr war vielleicht zehn Jahre älter als ihr Vater. Botwid Wiik war sein ganzes erwachsenes Leben lang Parteimitglied gewesen und hätte vermutlich auch geweint, wenn das Bürgerhaus von Barbaren zerstört worden wäre.
    Im letzten Jahr hatte ihr Vater seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert, und Elina war aufgefallen, wie wenig gebrochen er war trotz seines harten Lebens. Botwid Wiik war im Schwedisch sprechenden Teil von Österbotten geboren und als Kriegskind nach Schweden gekommen. Er war bei seinen Pflegeeltern geblieben und zwanzig Jahre lang Wald- und Hafenarbeiter in Norrbotten gewesen, bevor er nach Stockholm zog und sich zum Metallarbeiter umschulen ließ.
    Der Grund für seinen Umzug hieß Maria, Elinas Mutter, die er auf einer Parteikonferenz kennen gelernt hatte. Da die Liebe groß und Maria alles nördlich von Gävle fremd gewesen war, hatte ihr Vater seine wenigen Besitztümer genommen und war nach Süden gezogen. Mit Mitte sechzig hatte er sich pensionieren lassen, da war er Vorarbeiter in der Werkstatt gewesen. Jetzt zog er Blumen in seinem Reihenhausgarten in Märsta und las Bücher. Er ging immer noch zu den Parteiversammlungen.
    Elina verlor sich ein Weilchen in ihren Gedanken an den Vater. Ihr stärkstes Gefühl für ihn war Zärtlichkeit, und sie wünschte, sie würden sich öfter treffen. Mit ihrer Mutter, die bedeutend jünger war als ihr Mann, hatte sie ein eher kompliziertes Verhältnis gehabt, besonders in der Jugend. Aber seitdem Elina ihr eigenes Leben führte, verstanden sie sich gut.
    Die folgenden Stunden waren genau so, wie Elina Wiik vermutet hatte. Viele erregte Menschen wollten mit der Polizei über das sprechen, was passiert war. Der eine oder andere entwickelte Verschwörungstheorien. Einige Personen waren Zeugen des Brandes gewesen, sie waren vom Lärm der Feuer­wehr aufgewacht und hatten aus dem Fenster geschaut. Diesen Leuten hörte sie besonders genau zu. Aber niemand schien etwas zu wissen, was die Ermittlungen vorantreiben könnte.
    Sie schrieb Namen und Adressen auf. Jönsson musste entscheiden, ob jemand von ihnen eingehender verhört werden sollte.
    Um eins kam Niklasson zum Revier.
    »Hunger, Wiik? Wir haben was auf die Schnelle gegessen; wenn du dich also jetzt stärken möchtest, kann ich dich eine Weile ablösen.«
    »Ja, danke.« Elina stand sofort auf. »Was ist bei der Umfrageaktion an den Türen herausgekommen?«
    »Wir haben viele angetroffen, die aufgewacht und nach draußen gegangen sind. Aber niemand scheint etwas Verdächtiges gesehen zu haben. Alle scheinen ganz und gar von dem Schauspiel gefangen gewesen zu sein. So ein großes Maifeuer hat hier wahrscheinlich noch niemand gesehen.«
    Es war der 3. Mai und dieser Kommentar war nicht einmal deplatziert. Elina Wiik fühlte sich trotzdem beschämt und sah zu Boden.
    Papa und all den Menschen, die heute Morgen hier waren, hätte das nicht gefallen, dachte sie. Hoffentlich redet er nicht so mit den älteren Leuten, die hierher kommen.
    Aber sie behielt es für sich.
    Sie verließ das Polizeirevier und suchte nach einer Salatbar oder etwas Ähnlichem. Fastfood wollte sie nicht. Mein Körper mag das nicht, hatte sie sich eingeredet. Außerdem war sie sehr zufrieden mit ihrer Figur; die wollte sie sich nicht durch Hamburger und Fritten verderben.
    Nördlich der Fußgängerzone gab es zwei Kebablokale, die auch Salate anboten. Sie ging in das eine und bestellte sich die sättigendste Variante. Nachdem sie bezahlt hatte, fragte sie, ob man sich irgendwo draußen hinsetzen und essen könnte, und wurde zum Mitgårdspark hinter der Fußgängerzone verwiesen. Dorthin ging sie und setzte sich auf eine Bank. Auf der Nachbarbank saßen zwei offensichtlich betrunkene Männer.
    Zwei Überbleibsel aus einer untergegangenen Fabrikgesell­schaft, dachte sie.
    Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel, es war ein Gefühl, als sei der Sommer schon da. Als sie hinter sich schaute, sah sie gelbe Häuser aus Holz mit Gärten, die in zartem

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