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Der werfe den ersten Stein

Der werfe den ersten Stein

Titel: Der werfe den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kanger
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später klappte der Gemeindeleiter die Bibel zu. Er glitt vom Stuhl und kniete nieder. Mikael und die anderen im Raum folgten seinem Beispiel und knieten sich hin.
    »Gott Vater«, betete Mikael, verstummte dann aber.
    Nach dem Kaffeetrinken in der Küche des Gemeindehauses stellte sich Margareta Adolfsson an die Spüle.
    »Peter und ich bleiben«, sagte sie. »Es ist noch so viel zu tun für den Versammlungstag der ganzen Kirchengemeinde im nächsten Monat. Vater fährt mit Stina nach Hause. Willst du auch bleiben, Mikael?«
    »Ich fahre mit Vater«, sagte Mikael.
    »Dann kommt«, sagte der Vater, ohne jemanden von ihnen anzusehen. Er erhob sich, steckte die rechte Hand in die Hosentasche und holte die Autoschlüssel hervor.
    Als sie vor dem Haus aus dem Auto stiegen, ging Mikael direkt in den Schuppen.
    »Ich fahr in den Ort«, sagte er, ohne sich zum Vater umzudrehen.
    »Aber sei zum Abendessen zu Hause«, sagte der Vater.
    Mikael holte sein Fahrrad und schob es über den Kiesplatz vor dem Haus. Er fuhr auf der 252 in Richtung Norden, bog zum Kanal hinunter rechts ab, zum Ortskern. Über die Brücken und die Eisenbahngleise radelte er weiter bis zur Köpmangatan.
    Er hatte fast jeden Tag trainiert, seitdem die Clique, mit der er zusammen war, ihn mit in den Sura Bodybuilding Club nahm. Anfangs hatte er es nur getan, um akzeptiert zu werden, so fremd, wie er im Ort gewesen war. Als die Kameraden ihn aufgefordert hatten, Anabolika zu nehmen, hatte er es getan, ohne je danach zu fragen, was er eigentlich in den Mund steckte.
    Die Tabletten hatten nicht nur seine Muskeln schnell wachsen lassen, sondern auch sein Interesse am Training. Das harte Training nutzte er als Erklärung dafür, dass er am Wochenende nicht an der Biertrinkerei seiner Kameraden teilnehmen konnte. Aber der eigentliche Grund war, dass er nicht nach Bier riechend nach Hause kommen wollte.
    Mikael hatte den Club erreicht, doch ehe er bremste, zuckte er plötzlich zusammen und schlug mit der rechten Hand auf den Ge­päckträger. Die Tasche mit den Trainingsklamotten war nicht da.
    »Scheiße!«, fluchte er.
    Er drehte um und fuhr zurück. Vor dem Haus angekommen, legte er das Fahrrad auf die Erde und ging aufs Haus zu. Der Kies unter seinen Schuhen war kaum zu hören. Beim Zeitungaustragen frühmorgens hatte er gelernt, lautlos zu gehen, um niemanden unnötig zu wecken. Vor Peter hatte er einmal damit aufgeschnitten, dass er besser schleichen konnte als ein Indianer. Peter hatte geantwortet, er sei mindestens genauso gut darin.
    In dem Moment, als er die Haustür öffnen wollte, wurde sie aufgerissen und Stina stürmte an ihm vorbei. Mikael drehte sich um und sah ihr nach.
    »Wo willst du hin?«, rief er.
    Er bekam keine Antwort und betrat die Diele, machte die Tür hinter sich zu und noch einen Schritt ins Hausinnere, blieb jedoch sofort wieder stehen. Vor ihm stand der Vater, ganz still.
    »Wohin wollte Stina?«, fragte Mikael. »Sie ist einfach an mir vorbeigelaufen.«
    Der Vater antwortete nicht. Mikael sah ihn an, drehte den Kopf und schaute zum Hofplatz und dann wieder den Vater an. Er machte einen Schritt rückwärts, drehte sich um und riss die Haustür auf. Von Stina war weder etwas zu hören noch zu sehen. Er zögerte einige Sekunden und lief dann nach links am Nachbarhaus vorbei und weiter zum Wald. Mit den Händen bog er Birkenzweige beiseite und zwängte sich hindurch. Hinter dem Wäldchen war ein Pfad. Er lief einige Schritte und stolperte über eine Kiefernwurzel. Seine Hose war über dem linken Knie aufgerissen. Er stand wieder auf und lief weiter.
    »Stina! Ich bin’s, Mikael! Komm raus!«, schrie er.
    Seine Stimme brach fast und das Atmen fiel ihm schwer. Der Pfad endete an einem kleinen See. Mikael blieb vor der blanken Wasseroberfläche jäh stehen.
    »Stina«, sagte er leise vor sich hin. »Stina.«
    Er begann, den Tümpel zu umrunden, hielt jedoch hinter einer kleinen Anhöhe inne. Sie saß ganz still auf einem Stein vor ihm. Mit wenigen Schritten war er bei ihr. Sie sagte keinen Ton und schaute ihn nicht an.
    »Was ist passiert, Stina?«, fragte er. »Sag, was los ist.«
    Sie hob den Kopf und sah ihn an, als würde sie ihn nicht verstehen. Langsam ließ sie sich gegen Mikaels Schulter sinken.
    »Komm, wir gehen nach Hause«, sagte er. »Du darfst in meinem Zimmer sein. Ich setz mich neben dich.«
    Langsam gingen sie zurück durch den Wald. Als sie den Hofplatz erreichten, war der Opel weg. Mikael nahm die Schwester bei der

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