Der Wettermacher
sie fertig war, setzte Duzella sich an seinem Rand nieder. Thonensen ging zu ihr und betrachtete den Stein, der grau, fast weiß war, von Linien und Furchen durchzogen.
»Suchst du ihnen näherzukommen, deinen Vorfahren?« fragte der Sterndeuter mitfühlend.
Sie hob ihr übergroßes Kindergesicht und nickte. »Sie haben viele Spuren hinterlassen.« Mehr wollte sie nicht sagen.
Später, als die Sonne am Untergehen war, sah Nottr das Taurenmädchen auf dem freigelegten Stein knien. Ihre Finger fuhren den Furchen nach. Ihre Stirn war gerunzelt. So vertieft war sie, daß sie erschrak, als sie Nottr neben sich gewahrte.
»Bedeuten sie etwas, diese Furchen?« fragte er.
»Nur für einen Tauren.«
»Ist es wichtig für uns?«
»Nur für mich.«
»Ich dachte mir, daß es keine Spuren von Werkzeugen sind«, sagte Thonensen, den die Neugier zu ihnen trieb.
»Es sind Lebenslinien«, erklärte Duzella.
»Was bedeuten sie?«
»Sie haben keine Bedeutung für das kleine Volk, Master Thonensen«, erwiderte sie zögernd.
»Was bedeuten sie für dich?« fragte Nottr ungeduldig.
Sie zögerte erneut und wollte nichts mehr sagen, doch die beiden Männer drangen in sie.
»Solange wir miteinander ziehen, ist dein Geschick auch unseres, Duzella«, sagte der Sterndeuter ernst. »Ich verstehe, daß wir mit jedem Tag mehr zu dem kleinen Volk für dich werden, das wir für deinesgleichen in alten Zeiten waren. Aber du solltest nicht vergessen, daß wir dir gute Gefährten waren in den Tagen, da du Uns brauchtest…«
»Nein, Master Thonensen«, unterbrach sie ihn hastig und ihre großen Kinderaugen schimmerten feucht. »Niemals werde ich meine Freunde vergessen. Niemals… aber seit ich wachse, verändert sich alles so rasch. Es ist, als ob sich immer neue Tore öffnen, hinter denen wundersame Dinge warten, die ich nicht immer verstehe. Gebt mir Zeit, meine Gefährten. Diese Linien… ich glaube, sie sagen mir, was mich ein Stück des Wegs weiter erwartet.«
»Du weißt die Zukunft?« entfuhr es Nottr.
»Nicht die Zukunft«, erwiderte sie entschieden. »Nur, etwas, das vor mir liegt«, fügte sie hilflos hinzu.
»Weißt du es? Ist es eine Gefahr?«
»Ich muß erst lernen, die Zeichen zu lesen.«
Danach wollte sie nicht mehr antworten, und die beiden ließen sie allein und beobachteten sie vom Feuer aus, wie sie mit den Fingern den Linien folgte.
Ihre Aufmerksamkeit wurde schließlich durch die Ankunft Burras und ihrer Amazonen abgelenkt.
Die Reiterinnen kamen in vollem Galopp vom Waldrand her, und Burra schwenkte etwas in der Rechten, das in ihrem Griff zappelte und ein dünnes Kreischen ausstieß, das allerdings mehr nach Wut als nach Angst klang.
Burra und ihre Begleiterinnen zügelten die Pferde am Rand des Lagerfeuers. Sie warf das zappelnde Bündel zwischen die Gefährten, die aufgesprungen waren und zu den Waffen gegriffen hatten.
»Seht, was für einen niedlichen Fang wir gemacht haben!« rief sie.
Das Ding purzelte über den Boden und erhob sich ächzend. Es trug ein ledernes Wams und enge bunte Beinkleider. Ein kleines, Mißmut verkündendes Gesicht war umrahmt von grünlichen, halmartigen Haaren. Ein Laut wie von einer Wildkatze kam aus seinem breiten, zahnlosen Mund. Die dunklen kleinen Augen funkelten wehrhaft den Umstehenden entgegen, denen es kaum bis an den Gürtel reichte.
Das Ding war…
»Ein Troll!« rief Thonensen überrascht.
»Barbaren!« fauchte der Kleine. Eine Art Beutel aus Fell hing über seinem Bauch. Er stopfte wütend seine Fäuste hinein.
»Vorsicht, er hat eine Waffe!« rief Arel.
Aber Thonensen schüttelte den Kopf. »Trolle haben keine Waffen in ihrem Muff. Sie sind keine Krieger, sie sind Zauberer.«
Das Gesicht des Kleinen entspannte sich und wandte sich dem Sterndeuter zu.
»Ah«, sagte er. »Ich vernehme Weisheit, wie in solchem Kreis nicht erwartet.« Solch vornehme Redeweise verblüffte alle, obwohl sie Mühe hatten, die Worte zu verstehen, die krächzend aus dem dicklippigen Mund kamen. »Du mußt der Anführer dieser Schar Wilder sein. Komm, laß die Becher füllen und uns einander bekannt machen dort am gemütlichen Feuer…« Er zog eine Hand aus seinem Muff und hakte sich bei Thonensen unter.
Der Sterndeuter folgte ihm mit einem unsicheren Blick in die Runde. »Bei aller Schlauheit deiner Art hast du dich geirrt. Ich bin nicht ihr Anführer. Der hier…« Er deutete auf Nottr. »Der ist Nottr, unser…«
Doch der Troll ließ ihn nicht ausreden. »Fürwahr, du bist
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