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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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weiß auch nicht. Ich finde einfach, wenn Lily Price hier irgendwo drunter ist, sollten wir sie finden. Weißt du, was ich meine?«
    »Ich glaube schon.«
    Bosch gab nach.
    »Na gut. Hol sie. Ruf sie zurück.«
    »Nein, schon okay. Ich verstehe, was du meinst.«
    Sie machten sich wieder an die Arbeit, die Fotos durchzusehen und zu sortieren. So eine schreckliche Aufgabe und so viele Opfer. Wenn nicht von Mord oder Vergewaltigung, dann von Hardys Menschenverachtung. Bosch musste sich eingestehen, dass es einen anderen Grund hatte, weshalb er Teddy Baker nicht hinzuziehen wollte. Es spielte keine Rolle, dass sie eine altgediente Ermittlerin war, die alles gesehen hatte, was es auf der Schattenseite des Lebens zu sehen gab. Und es spielte keine Rolle, dass Hardy ein Gewaltverbrecher war, der auf Schwäche stand, egal, ob die Opfer männlich oder weiblich waren. Bosch hätte einfach kein gutes Gefühl dabei gehabt, die Fotos im Beisein einer Frau anzusehen. So war er einfach.
    Etwa zwanzig Minuten später merkte Bosch, dass Chu seinen üblichen Rhythmus – aus Foto studieren und es dann hochhalten und überlegen, auf welchen Haufen er es legen sollte – unterbrochen hatte. Bosch schaute zu ihm hinüber. Sein Partner hatte ein Polaroidfoto in der Hand.
    »Harry, ich glaube …«
    Bosch ließ sich das Foto von Chu geben und betrachtete es. Es war die Aufnahme eines jungen Mädchens, das nackt auf einer schmutzigen Decke lag. Ihre Augen waren geschlossen, und es war nicht zu erkennen, ob sie tot oder lebendig war. Das Foto war im Lauf der Zeit verblichen. Bosch hielt es neben das Jahrbuchfoto der lächelnden Lily Price, das achtzehn Monate vor ihrem Tod aufgenommen worden war.
    »Was meinst du?«, fragte Chu.
    Bosch antwortete nicht. Er ließ den Blick unablässig zwischen den beiden Fotos hin und her wandern, um sie zu studieren und minuziöse Vergleiche vorzunehmen. Chu reichte ihm das Vergrößerungsglas, das er aus ihrem Abteil mitgenommen hatte. Bisher hatte es aber noch keiner von ihnen benutzt. Bosch legte beide Fotos auf den Tisch und verglich sie unter der Lupe. Schließlich nickte er.
    »Ich glaube, du hast sie gefunden. Wir lassen die beiden Bilder in der Fotoabteilung digital analysieren und sehen, was sie dazu sagen.«
    Chu hieb mit der Faust auf den Tisch.
    »Wir haben ihn, Harry. Jetzt ist er dran!«
    Bosch legte das Vergrößerungsglas auf den Tisch und lehnte sich zurück.
    »Ja«, sagte er. »Ich glaube auch, jetzt ist er dran.«
    Dann beugte er sich vor und deutete auf den Stapel Fotos, den sie noch nicht durchgesehen hatten.
    »Aber jetzt lass uns weitermachen.«
    »Glaubst du, es gibt noch mehr?«, fragte Chu.
    »Keine Ahnung. Vielleicht. Außerdem gibt es noch jemanden, von dem wir ein Foto finden sollten.«
    »Von wem?«
    »Von Clayton Pell. Er hat gesagt, Hardy hätte auch von ihm ein Foto gemacht. Wenn er es aufgehoben hat, müsste es hier drunter sein.«

[home]
    39
    B osch sammelte sich, holte tief Luft und wählte die Nummer. Er war nicht sicher, ob sie nach so vielen Jahren noch stimmte. Er sah auf eine der Wanduhren und rechnete noch einmal nach. In Ohio war es zwei Stunden später. Mit dem Abendessen wären sie schon eine Weile fertig, aber wach wären sie noch.
    Nach dem dritten Läuten ging eine Frau dran.
    »Spreche ich mit Mrs. Price?«, fragte Bosch.
    »Ja, wer ist da bitte?«
    Sie hörte sich aufgeregt an, und Bosch nahm an, dass ihr Telefon Anruferkennung hatte. Sie wusste, dass die Polizei dran war. Ein Anruf, der in die Vergangenheit führte.
    »Mrs. Price, hier spricht Detective Bosch vom Los Angeles Police Department. Ich rufe an, weil die Ermittlungen zum Tod Ihrer Tochter zu neuen Erkenntnissen geführt haben. Ich muss dringend mit Ihnen sprechen.«
    Bosch hörte, wie ihr der Atem stockte. Dann legte sie die Hand auf den Hörer, um mit jemand anderem zu sprechen. Was sie sagte, konnte Bosch jedoch nicht hören.
    »Mrs. Price?«
    »Ja, entschuldigen Sie bitte. Ich habe es nur eben meinem Mann gesagt. Lilys Vater. Er geht nach oben, um am anderen Apparat mitzuhören.«
    »Okay, dann warten wir …«
    »Geht es um das, was gerade im Fernsehen kommt? Wir haben FOX geschaut, und natürlich habe ich mich sofort gefragt, ob dieser Mann, dieser Chill, ob er der Mann ist, der Lily entführt hat.«
    Sie begann zu weinen, bevor sie die Frage zu Ende gestellt hatte.
    »Mrs. Price, könnten wir …«
    Ein leises Klicken verriet Bosch, dass sich ihr Mann zugeschaltet hatte.
    »Hier

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