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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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stichfest sein werden. Und wir leisten hier alle einen feierlichen Eid, dass dieser Kerl nie wieder das Licht der Freiheit erblicken wird. Ziel: Todeszelle. Nicht mehr und nicht weniger. Ist das allen klar?«
    Einige der Anwesenden nickten. Es war das erste Mal, dass Bosch mitbekam, wie der Lieutenant seine Leute wie ein Fußballtrainer heißmachte. Das gefiel ihm, und er hielt es für einen guten Schachzug, alle daran zu erinnern, wie viel bei den Ermittlungen auf dem Spiel stand.
    Nach diesen einleitenden Worten ging Gandle dazu über, den Teams ihre Aufgaben zuzuteilen. Die Ermittlungen in den beiden Reihenhäusern beschränkten sich vorwiegend auf das Sammeln kriminaltechnischer Beweise, wobei das Kernstück des Verfahrens die Videoaufnahmen aus dem Schrank im zweiten Schlafzimmer und die Fotos an den Wänden des Reihenhauses waren. Die OU -Ermittler wurden damit beauftragt, festzustellen, wer die Opfer waren, woher sie kamen und was genau mit ihnen passiert war. Eine schauderhafte Aufgabe. Um sich schon einen ersten Eindruck verschaffen zu können, was sie auf der umfangreichen Sammlung von Bändern und Discs erwartete, hatten Bosch und Chu bereits eine der DVD s aus dem Schlafzimmerschrank auf Chus Laptop angeschaut. Darauf war zu sehen, wie Hardy eine Frau so lange vergewaltigte und folterte, dass sie ihn – nachdem er ihren Knebel entfernt hatte – anflehte, ihrem Leiden ein Ende zu machen und sie umzubringen. Die Aufnahme endete damit, dass die eindeutig noch atmende Frau bewusstlos dalag und Hardy grinsend in die Kamera schaute. Er hatte bekommen, was er von ihr wollte.
    In all den Jahren bei der Polizei hatte Bosch nie etwas so Erschütterndes und Grauenhaftes gesehen. Schon auf dieser einen Disc waren Bilder, die sich nie mehr würden löschen lassen und die er in die hintersten Winkel seines Verstands zu schieben versuchen musste. Aber es gab noch Dutzende weiterer DVD s und Videokassetten und Hunderte von Fotos, die alle angesehen, beschrieben, katalogisiert und in der Asservatenkammer aufbewahrt werden mussten. Das würde qualvolle, seelenversehrende Arbeit, die garantiert die Sorte innerer Narben hinterließ, wie sie nur Mordermittler davontrugen.
    Gandle legte allen in der Einheit nahe, mit den Therapeuten der Behavioral-Science-Einheit des LAPD über ihre belastende Tätigkeit zu sprechen. Jeder Polizist wusste, dass diese Schrecken in sich hineinzufressen genauso verheerende Folgen nach sich ziehen konnte wie ein unbehandeltes Krebsleiden. Dennoch wurde es von vielen als Zeichen der Schwäche angesehen, bei der Bewältigung solcher Belastungen Hilfe zu suchen. Kein Polizist wollte schwach erscheinen, egal, ob in den Augen der Bösen oder in denen der Guten, seiner Mitstreiter.
    Danach übergab Gandle an Bosch und Chu, die kurz die einzelnen Schritte schilderten, die sie auf Hardys Spur und zu den beiden Reihenhäusern geführt hatten.
    Außerdem sprachen sie das Dilemma an, mit dem sie bei den nun anstehenden Ermittlungen konfrontiert waren: Einerseits durften sie keine Zeit verlieren, aber zugleich mussten sie mit äußerster Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt vorgehen, um zu gewährleisten, dass die Ermittlungen so gründlich wie nur irgend möglich durchgeführt wurden.
    Die Polizei war gesetzlich dazu verpflichtet, spätestens achtundvierzig Stunden nach Hardys Festnahme stichhaltige Anklagepunkte gegen ihn vorzulegen.
    Am Mittwochmorgen würde er zum ersten Mal einem Richter vorgeführt. Konnte ihm bis dahin keine Straftat zur Last gelegt werden, müsste er wieder auf freien Fuß gesetzt werden.
    »Wir werden Folgendes machen«, erklärte Bosch. »Wir werden nur in einem Punkt Anzeige gegen ihn erstatten. Zuerst also nur ein Mord, und wenn wir mit dem Rest fertig sind, hängen wir auch die anderen dran. Am Mittwoch geht’s also erst mal nur um Lily Price. Im Moment ist die Beweislage zwar noch etwas wacklig, aber es ist trotzdem unsere beste Chance. Wir haben eine DNA -Übereinstimmung, und wenn es auch nicht die von Hardy selbst ist, können wir, glaube ich, zumindest beweisen, dass er am Tatort war. Wir können also nur hoffen, dass wir bis Mittwochmorgen hier irgendwo ein Foto von Lily finden.«
    Chu hielt eine Aufnahme von Lily Price hoch, die aus der ursprünglichen Mordakte stammte. Es war ihr Jahrbuchfoto. Sie lächelte, und sie sah so unschuldig und schön aus. Wenn sich unter Hardys Andenken ein Bild von ihr fände, wäre es sicher nicht mehr so.
    »Da dieser Fall bereits 1989

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