Der Widersacher
ist Bill Price.«
»Mr. Price, mein Name ist Harry Bosch. Ich bin Detective beim LAPD . Ich muss Sie über eine Reihe neuer Entwicklungen bei den Ermittlungen zum Tod Ihrer Tochter in Kenntnis setzen.«
»Lily«, sagte Mr. Price.
»Ja, Sir, Ihrer Tochter Lily. Ich bin bei der Einheit Offen-Ungelöst, die sich mit ungelösten Mordfällen befasst. Letzte Woche sind wir bei unseren Ermittlungen ein deutliches Stück vorangekommen. Die DNA der Blutspuren, die an Lilys Leiche gefunden wurden, konnte mit einem gewissen Chilton Hardy in Verbindung gebracht werden. Das Blut stammte allerdings nicht von ihm selbst, sondern von jemandem, der Hardy kannte und ihn mit der Tat in Verbindung bringen konnte. Ich rufe an, um Ihnen mitzuteilen, dass wir Chilton Hardy heute wegen des Mordes an Ihrer Tochter festgenommen haben.«
Es war nur Mrs. Prices leises Schluchzen zu hören.
»Ich weiß nicht, ob es an diesem Punkt noch mehr zu sagen gibt«, erklärte Bosch schließlich. »Die Ermittlungen sind noch in vollem Gang, und ich werde Sie über alle neuen Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Sobald bekannt wird, dass gegen diesen Mann wegen Mordes an Ihrer Tochter Anklage erhoben wird, werden wahrscheinlich die Medien an Sie herantreten. Ob Sie mit ihnen sprechen wollen oder nicht, bleibt Ihnen überlassen. Haben Sie irgendwelche Fragen an mich?«
Bosch versuchte, sich die Eltern in ihrem Haus in Dayton vorzustellen. Auf verschiedenen Stockwerken, über den Hausanschluss mit einem Mann verbunden, dem sie nie begegnet waren. Vor zweiundzwanzig Jahren hatten sie ihre Tochter nach Los Angeles aufs College geschickt. Sie war nicht mehr nach Hause gekommen.
»Ich habe eine Frage«, sagte Mrs. Price. »Bleiben Sie bitte dran.«
Das Telefon wurde abgelegt, und im Hintergrund wurde leises Schluchzen hörbar.
Schließlich sagte ihr Mann: »Detective, danke, dass Sie unsere Tochter nicht vergessen haben. Ich werde jetzt auflegen und zu meiner Frau runtergehen, damit ich bei ihr sein kann.«
»Natürlich, Sir. Das kann ich gut verstehen. Wiederhören.«
Als Mrs. Price ans Telefon zurückkam, hatte sie sich wieder im Griff.
»In den Nachrichten hieß es, die Polizei sähe sich Fotos und Videos der Opfer an. Die werden sie doch nicht im Fernsehen zeigen, oder? Sie werden doch Lily nicht zeigen?«
Bosch schloss die Augen und drückte den Hörer fest an sein Ohr.
»Nein, Ma’am, auf gar keinen Fall. Die Fotos sind Beweismittel und werden deshalb nicht herausgegeben. Vielleicht werden sie irgendwann beim Prozess verwendet. Aber wenn es dazu kommen sollte, wird der zuständige Staatsanwalt mit Ihnen darüber sprechen. Oder ich. Sie werden über sämtliche Maßnahmen im Zuge der Anklageerhebung unterrichtet werden. Da brauchen Sie sich also keine Sorgen zu machen.«
»Gut, Detective. Danke. Ehrlich gestanden hätte ich nie geglaubt, dass dieser Tag noch einmal kommen würde.«
»Ja, Ma’am, ich weiß, es ist lange her.«
»Haben Sie Kinder, Detective?«
»Ja, eine Tochter.«
»Passen Sie gut auf sie auf.«
»Ja, Ma’am. Das werde ich. Sie werden bald wieder von mir hören.«
Bosch legte den Hörer auf die Gabel zurück.
»Und? Wie lief’s?«
Bosch drehte sich mit seinem Stuhl. Chu war in das Abteil zurückgekommen, ohne dass er es gemerkt hatte.
»Wie es eben so läuft«, antwortete er. »Zwei weitere Opfer …«
»Tja. Wo leben sie?«
»In Dayton. Was machen die anderen?«
»Sie sind alle dabei, langsam Schluss zu machen. Ich glaube, für heute haben sie genug gesehen. Einfach unerträglich, diese Bilder.«
Bosch nickte. Er schaute wieder auf die Uhr an der Wand. Für ihn war es ein langer Arbeitstag gewesen, fast zwölf Stunden. Chu hatte die anderen an den Ermittlungen beteiligten Detectives gemeint, die sich in den letzten sechs Stunden nichts anderes als Videos von Folter und Mord angesehen hatten.
»Ich wollte mich eigentlich auch auf den Weg machen, wenn du nichts dagegen hast, Harry.«
»Klar. Ich muss auch nach Hause.«
»Wir sind doch morgen ganz gut aufgestellt, oder?«
Um neun Uhr hatten sie einen Termin im Büro des District Attorney, um ihre Ermittlungsergebnisse im Fall Lily Price vorzulegen und gegen Hardy eine Anklageerhebung wegen Mordes zu beantragen. Bosch drehte sich zu seinem Schreibtisch und legte die Hand auf den dicken Ordner mit den Berichten und Protokollen, die sie dem DA aushändigen wollten. Das Paket.
»Ja«, sagte Bosch. »Ich glaube, die Sache geht klar.«
»Okay, dann gehe
Weitere Kostenlose Bücher