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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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angesprochen?«
    »Nein. Ich hatte es vor, aber ich habe noch damit gewartet.«
    »Worauf?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe einfach noch damit gewartet.«
    Chu kam mit einer Box Papiertücher zurück und reichte sie ihr. Aber der Tränenausbruch war vorbei, und ihre Augen wirkten jetzt kalt und hart. Trotzdem war sie schön, und Bosch konnte sich schwer vorstellen, dass ein Ehemann nachts ziellos durch die Gegend fuhr, wenn die Frau, die zu Hause auf ihn wartete, Deborah Irving war.
    »Lassen Sie uns kurz etwas weiter zurückgehen. Sie sagten, er wäre nach dem Abendessen weggefahren. Haben Sie zu Hause gegessen, oder waren Sie in einem Restaurant?«
    »Wir waren zu Hause. Keiner von uns war besonders hungrig. Es gab nur Sandwiches.«
    »Wissen Sie noch, wann Sie gegessen haben?«
    »Ich würde sagen, gegen halb acht. Um halb neun ist er weggefahren.«
    Bosch holte sein Notizbuch heraus und notierte sich Verschiedenes von dem, was bisher gesprochen worden war. Ihm fiel ein, dass Solomon und Glanville gesagt hatten, dass jemand – vermutlich George Irving – um 20 : 50  Uhr im Chateau ein Zimmer reserviert hatte, zwanzig Minuten nachdem Irving laut Aussagen seiner Frau das Haus verlassen hatte.
    »Eins-vier-neun-zwei.«
    »Wie bitte?«
    »Sagen Ihnen diese Zahlen etwas? Eins-vier-neun-zwei – 1492 ?«
    »Ich weiß leider nicht, was Sie meinen.«
    Sie schien aufrichtig verwirrt.
    Bosch hatte sich vorgenommen, sie gezielt immer wieder aus der Fassung zu bringen, indem er ihr in willkürlicher Abfolge Fragen stellte.
    »Die persönlichen Dinge Ihres Mannes – Geldbörse, Handy und Ehering – waren im Safe seines Hotelzimmers. Und das war die Kombination, die er in das Schloss eingegeben hat. Haben diese Zahlen für Ihren Mann oder Sie eine besondere Bedeutung?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Gut. Kannte Ihr Mann das Chateau Marmont? Hatte er früher schon einmal dort übernachtet?«
    »Wir waren mal gemeinsam dort, aber wie gesagt, ich weiß nicht, wohin er fuhr, wenn er zu seinen nächtlichen Spritztouren aufbrach. Er könnte dorthin gefahren sein. Aber ich weiß es nicht.«
    Bosch nickte.
    »Wie würden Sie die Gemütsverfassung Ihres Mannes zu dem Zeitpunkt beschreiben, als Sie ihn zum letzten Mal gesehen haben?«
    Sie dachte eine Weile nach, bevor sie achselzuckend erklärte, ihr Mann habe, soweit sie das beurteilen könne, ganz normal gewirkt, in keiner Weise aufgewühlt oder bedrückt.
    »Wie würden Sie den Zustand Ihrer Ehe bezeichnen?«
    Sie senkte kurz den Blick zu Boden, bevor sie ihn wieder hob und Bosch ansah.
    »Im Januar hätten wir unseren zwanzigsten Hochzeitstag gehabt. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Mit vielen Hochs und Tiefs, aber mit wesentlich mehr Hochs als Tiefs.«
    Bosch merkte, dass sie nicht die Frage beantwortete, die er gestellt hatte.
    »Und wie sah es zuletzt aus? Hoch oder Tief?«
    Sie blieb lange still, bevor sie antwortete.
    »Unser Sohn – unser einziges Kind – ist im August zu Hause ausgezogen, um aufs College zu gehen. Die Umstellung war nicht einfach für uns.«
    »Leeres-Nest-Syndrom«, bemerkte Chu.
    Sowohl Bosch als auch Deborah Irving sahen ihn an, aber er fügte nichts weiter hinzu und schien wegen seines Einwurfs ein wenig verlegen.
    »Wann genau ist Ihr Hochzeitstag?«, fragte Bosch.
    »Am 4 . Januar.«
    »Dann haben Sie also am 4 . Januar 1992 geheiratet?«
    »Ach, jetzt verstehe ich!«
    Voller Bestürzung, dass ihr die Safekombination nichts gesagt hatte, riss sie die Hände an den Mund. Ihr traten Tränen in die Augen, und sie zupfte ein paar Papiertücher aus der Box.
    »Wie konnte ich nur! Sicher denken Sie jetzt, ich bin …«
    »Nein, nein, schon gut«, beschwichtigte Bosch. »Ich habe es wie eine Jahreszahl gesagt, nicht wie ein Datum. Wissen Sie, ob er diese Zahl auch bei anderen Gelegenheiten als Kombination oder Passwort benutzt hat?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Keine Ahnung.«
    »Beim Geldabheben vielleicht?«
    »Nein, dafür hatten wir den Geburtstag unseres Sohns – fünf-zwei-neun-drei.«
    »Und die PIN für das Handy Ihres Mannes?«
    »Das war auch Chads Geburtstag. Ich habe Georges Handy mitbenutzt.«
    Bosch notierte sich das zweite Datum. Damit könnte er später das Handy, das von der Spurensicherung als Beweisstück konfisziert und zum SID nach Downtown gebracht worden war, einschalten und sich die Anrufliste ansehen. Er überlegte, was das bedeutete. Der Umstand, dass der Kombination des Zimmersafes Irvings Hochzeitstag

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