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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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einem Flur. Nur zwei Glastüren, die vom Balkon in zwei separate Zimmer führen. Ich habe durch eine dieser beiden Türen geschaut, und da war er, direkt vor meiner Nase. Irving saß auf der Couch.«
    An dieser Stelle machte McQuillen eine Pause. Es war, als blickte er zurück in diese Nacht, auf das, was er durch die Balkontür gesehen hatte. Bosch wusste, er musste den Erzählfluss in Gang halten, aber möglichst, ohne selbst viel dazu beizutragen.
    »Sie haben ihn also gefunden.«
    »Ja, er war in diesem Zimmer. Saß einfach da, trank Jack Daniel’s aus der Flasche und starrte vor sich hin, als wartete er auf etwas.«
    »Und was passierte dann?«
    »Er nahm einen letzten Schluck und stand plötzlich auf. Dann kam er direkt auf mich zu. Als ob er gewusst hätte, dass ich auf dem Balkon stand und ihn beobachtete.«
    »Was haben Sie gemacht?«
    »Ich hab mich neben der Tür an die Wand gedrückt. Eigentlich konnte er mich durch die spiegelnde Glasscheibe nicht gesehen haben. Und er wollte tatsächlich nur auf den Balkon gehen. Ich drückte ich mich also neben der Tür an die Wand, und er öffnete sie und kam nach draußen. Er ging an die Brüstung und warf die leere Flasche so weit in die Dunkelheit, wie er konnte. Dann beugte er sich vor, als müsste er kotzen. Und ich wusste, sobald er sich wieder umdrehte, würde er mich sehen. Es gab keine Möglichkeit, mich zu verstecken.«
    »Hat er sich übergeben?«
    »Nein, hat er nicht. Er …«
    In diesem Moment klopfte es an der Tür, und Bosch zuckte wegen der unerwarteten Störung fast zusammen.
    »Einen Augenblick, bitte.« Bosch stand auf und schirmte den Türgriff mit seinem Körper vor McQuillens Blick ab, bevor er die Kombination des Schlosses eintippte, um die Tür zu öffnen. Es war Chu, und am liebsten wäre ihm Bosch an die Gurgel gefahren. Aber er ging ganz ruhig nach draußen und schloss die Tür hinter sich.
    »Was soll die Scheiße? Du weißt doch, dass man nicht in eine Vernehmung reinplatzt. Du bist kein Anfänger mehr.«
    »Schon, aber ich wollte dir sagen, dass ich das mit dem Artikel geklärt habe. Er kommt nicht raus.«
    »Na toll. Das hättest du mir auch nach der Vernehmung sagen können. Der Typ da drinnen fängt gerade an, mit der Sprache rauszurücken, und du kommst hier an und klopfst.«
    »Ich dachte nur, dass du vielleicht anders bei ihm vorgehst, wenn du weißt, dass der Artikel nicht erscheint.«
    »Darüber reden wir später.«
    Bosch drehte sich zur Tür des Vernehmungszimmers um.
    »Ich bügle das wieder aus, Harry. Versprochen.«
    Bosch drehte sich wieder zu ihm um.
    »Deine Versprechungen interessieren mich nicht. Wenn du dich nützlich machen willst, dann setz schon mal einen Antrag auf, damit wir McQuillens Armbanduhr beschlagnahmen können. Wenn wir sie der Spurensicherung schicken, möchte ich es per richterlichen Beschluss genehmigt haben.«
    »Alles klar, Harry.«
    »Gut. Dann geh jetzt.«
    Bosch gab die Kombination ein, betrat das Vernehmungszimmer und setzte sich wieder McQuillen gegenüber.
    »Irgendwas Wichtiges?«, fragte McQuillen.
    »Nein, nur eine Lappalie. Erzählen Sie doch einfach weiter. Irving kam also auf den Balkon raus und …«
    »Ja, ich stand hinter ihm an der Wand. Wenn er sich umgedreht hätte, um wieder nach drinnen zu gehen, hätte er mich entdeckt.«
    »Und was haben Sie dann gemacht?«
    »Ich weiß auch nicht … jedenfalls habe ich nicht groß überlegt. Ich habe mich von hinten an ihn rangeschlichen und ihn gepackt, und dann habe ich ihn rückwärts ins Zimmer gezogen. Da waren überall Häuser am Hang gegenüber. Ich hatte Angst, jemand könnte uns sehen. Ich wollte auf keinen Fall auf dem Balkon mit ihm bleiben.«
    »Sie sagen, Sie haben ihn gepackt. Wie haben Sie ihn gepackt?«
    »Von hinten, um den Hals. Mit dem Würgegriff. Wie früher.«
    Als McQuillen das sagte, sah er Bosch in die Augen, als wollte er ihm etwas übermitteln.
    »Hat er sich gewehrt? Hat er Widerstand geleistet?«
    »Ja, er ist fürchterlich erschrocken und hat sich heftig gewehrt, aber ich habe ihn durch die Tür nach drinnen gezogen. Er hat wie verrückt um sich geschlagen und gezappelt, aber nicht lange. Er war ziemlich schnell bewusstlos.«
    Bosch wartete, ob McQuillen weitererzählen würde, aber mehr kam nicht.
    »Er war also bewusstlos«, sagte er deshalb.
    »Ja«, sagte McQuillen. »Aber nicht lange. Nach ungefähr einer halben Minute kam er wieder zu sich. Er war ziemlich durcheinander, und als er mich sah, wusste er

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