Der Widersacher
den meisten Fällen ein guter Rat, aber nicht immer. Manche Dinge mussten gesagt werden.
»Ich war mit ihm in seinem Hotelzimmer«, begann McQuillen. »Sonntagnacht. Oder genauer: Montagmorgen. Ich bin zu ihm rauf, um mit ihm zu reden. Ich war stinksauer. Ich wollte … ich weiß nicht, was ich wollte. Ich wollte nicht, dass mein Leben schon wieder ruiniert wird, und ich wollte ihm … Angst machen, schätze ich mal. Ihn zur Rede stellen. Aber …«
Er deutete mit Nachdruck auf Bosch.
»… er war noch am Leben, als ich gegangen bin.«
Bosch merkte, dass er jetzt genügend auf Band hatte, um McQuillen zu verhaften und wegen Mordes festzusetzen. Er hatte gerade zugegeben, mit dem Opfer an dem Ort gewesen zu sein, von dem es in die Tiefe gestürzt war. Aber nach außen hin war Bosch die Ruhe in Person. Hier gab es noch mehr zu holen.
»Gehen wir etwas zurück«, sagte er. »Woher wussten Sie überhaupt, dass George Irving im Hotel war und welches Zimmer er hatte?«
McQuillen quittierte die Naivität der Frage mit einem Achselzucken.
»Das wissen Sie doch längst. Von Hooch Rollins. Er hat Sonntagabend einen Fahrgast im Hotel abgesetzt und Irving zufällig reingehen sehen. Und erzählt hat er es mir deswegen, weil er mitgekriegt hat, wie ich mal im Aufenthaltsraum über die Irvings gelästert hab. Ich habe nach den Alkoholkontrollen eine Personalversammlung abgehalten und allen gesagt: ›Das ist es, was hier läuft, und das ist der Typ, der dahintersteckt.‹ Ich hab sein Foto aus dem Internet runtergeladen. Diese hinterhältige Ratte.«
»Rollins hat Ihnen also erzählt, dass George Irving ins Hotel gegangen ist. Woher wussten Sie, dass er dort ein Zimmer hatte, und woher wussten Sie, welches es war?«
»Ich hab im Hotel angerufen. Dass sie mir seine Zimmernummer aus Sicherheitsgründen nicht sagen würden, war mir klar, und ich konnte mich auch schlecht zu ihm durchstellen lassen. Was hätte ich ihm denn sagen sollen? ›Könnten Sie mir vielleicht mal eben Ihre Zimmernummer sagen?‹ Nein, ich habe im Hotel angerufen und mich zur Garage durchstellen lassen. Hooch hatte mir erzählt, dass ein Hotelangestellter das Abstellen von Irvings Wagen übernommen hatte. Deshalb hab ich in der Garage angerufen und mich als Irving ausgegeben. Ich hab sie gebeten, kurz nachzusehen, ob ich mein Handy im Auto liegen gelassen hatte. Ich hab gefragt: Wissen Sie meine Zimmernummer? Können Sie es mir hochbringen, wenn Sie es finden? Und der Typ sagte, klar, Sie sind in neunundsiebzig, und wenn ich das Handy finde, lasse ich es Ihnen hochbringen. So bin ich an die Zimmernummer gekommen.«
Bosch nickte. Ein raffinierter Trick. Allerdings wies er auch Züge von Vorsatz auf. McQuillen war auf dem besten Weg, sich in eine Anklage wegen Mordes ersten Grades hineinzureden. Wie es schien, musste Bosch nichts anderes tun, als ihn mit allgemein gehaltenen Fragen in eine bestimmte Richtung zu lenken. Den Rest würde McQuillen selbst erledigen. Ein Selbstläufer.
»Ich hab bis zum Schichtwechsel um Mitternacht gewartet und bin dann zum Hotel gefahren«, berichtete McQuillen weiter. »Natürlich sollte mich möglichst niemand sehen – auch keine Kameras. Deshalb bin ich ums Hotel rumgegangen, bis ich an der Seite eine Feuerleiter fand. Sie ging bis ganz nach oben, bis aufs Dach. Und man konnte von der Leiter auf die Balkone klettern, wenn man mal eine Pause einlegen wollte.«
»Haben Sie dabei Handschuhe getragen?«
»Ja, Handschuhe und einen Overall, den ich immer im Kofferraum habe. In meinem Job weiß man nie, wann man mal unter ein Auto kriechen muss. Ich dachte, wenn mich jemand sieht, sehe ich aus wie irgend so ein Wartungstyp.«
»Sie haben immer einen Overall im Kofferraum? Sie sind Disponent.«
»Ich bin Teilhaber, Mann. Mein Name steht nur nicht auf der Lizenz, weil ich damals dachte, wir würden sie nicht erhalten, wenn sie spitzkriegten, dass ich an der Firma beteiligt bin. Sie gehört mir zu einem Drittel.«
Das erklärte, warum McQuillen so sauer auf Irving gewesen war. Ein weiteres Schlagloch in der Beweisführung, das der Verdächtige selbst ausbesserte.
»Sie sind also auf der Feuerleiter in den siebten Stock hochgeklettert. Wann war das?«
»Meine Schicht war um Mitternacht zu Ende. Es dürfte also halb eins gewesen sein, irgendwas um den Dreh rum.«
»Was ist passiert, als Sie im siebten Stock angekommen sind?«
»Ich hatte Glück. Im siebten Stock gibt es keinen Zugang zum Hotel. Jedenfalls nicht zu
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