Der Widersacher
ich eigentlich locker gerechnet.«
Bosch setzte sich ihm gegenüber und legte einen dünnen grünen Ordner auf den Tisch.
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich musste erst noch verschiedene Leute über ein paar Dinge informieren.«
»Kein Problem. Ich habe bei der Arbeit angerufen. Notfalls kann mich die ganze Nacht jemand vertreten.«
»Gut. Dann wissen Sie vermutlich, weshalb Sie hier sind. Ich möchte mich nämlich gern mit Ihnen über Sonntagnacht unterhalten. Zu Ihrer Absicherung und um die Sache in offizielle Bahnen zu leiten, sollte ich Sie deshalb auf Ihre Rechte aufmerksam machen. Sie sind zwar freiwillig mitgekommen, aber ich halte es grundsätzlich so, dass ich den Leuten sage, wie die Dinge stehen.«
»Soll das heißen, ich stehe unter Mordverdacht?«
Bosch trommelte mit den Fingern auf der Akte.
»Schwer zu sagen. Zuerst brauche ich ein paar Antworten von Ihnen, dann kann ich mich dazu vielleicht konkreter äußern.«
Bosch öffnete den Ordner und nahm das oberste Blatt heraus. Es war ein Formular mit McQuillens verfassungsmäßig garantierten Rechten, darunter auch dem Recht, bei der Vernehmung einen Anwalt dabeizuhaben. Bosch las ihm alles laut vor und bat ihn dann, das Formular zu unterzeichnen. Er reichte ihm einen Stift, und der ehemalige Cop und gegenwärtige Taxidisponent unterschrieb ohne Zögern.
»So«, sagte Bosch, »sind Sie weiterhin bereit, zu kooperieren und über Sonntagnacht mit mir zu sprechen?«
»Bis zu einem gewissen Punkt.«
»Und wo genau befindet sich dieser Punkt?«
»Das weiß ich noch nicht. Aber ich weiß, wie so was läuft. Ist zwar schon eine Weile her, aber bestimmte Dinge ändern sich nie. Sie sind hier, um mich in eine Gefängniszelle zu quatschen. Ich bin nur hier, weil Sie sich ein paar falsche Vorstellungen machen, und wenn ich Ihnen helfen kann, ohne mit den Eiern an einem rostigen Nagel hängenzubleiben, werde ich das auch tun. So sieht’s aus.«
Bosch lehnte sich zurück.
»Erinnern Sie sich an mich?«, fragte er. »Erinnern Sie sich an meinen Namen?«
McQuillen nickte.
»Klar. Ich erinnere mich an jeden von der Sondereinheit.«
»Einschließlich Irvin Irving.«
»Klar. Der Typ oben an der Spitze bekommt immer am meisten Aufmerksamkeit.«
»Tja, und ich war der Typ ganz unten, deshalb hatte ich nicht viel zu sagen. Auch wenn Sie sich dafür nichts mehr kaufen können, fand ich damals, dass man Ihnen übel mitgespielt hat. Die haben ein Bauernopfer gebraucht, und da sind Sie ihnen gerade recht gekommen.«
McQuillen verschränkte die Hände auf dem Tisch.
»Nach so langer Zeit bedeutet mir das einen feuchten Dreck, Bosch. Die Nummer mit der verständnisvollen Tour können Sie sich also sparen.«
Bosch nickte und beugte sich vor. McQuillen wollte es auf die harte Tour. Er war entweder so clever oder so blöd, dass er glaubte, weitermachen zu können, ohne einen Anwalt hinzuzuziehen. Bosch beschloss, ihm genau das zu geben, was er wollte.
»Na schön, dann überspringen wir das Vorspiel, McQuillen. Warum haben Sie George Irving vom Balkon seines Hotelzimmers gestoßen?«
Über McQuillens Gesicht huschte ein Lächeln.
»Bevor wir hier weiterreden, möchte ich ein paar Zusagen.«
»Was für Zusagen?«
»Keine Anzeige wegen der Waffe. Keine Anzeige wegen des Kleinkrams, den ich Ihnen erzähle.«
Bosch schüttelte den Kopf.
»Haben Sie nicht selbst gesagt, Sie wissen, wie so was läuft? Dann wissen Sie auch, dass ich mich auf solche Deals nicht einlassen darf. Das ist Sache der Staatsanwaltschaft. Ich kann denen zwar sagen, dass Sie kooperiert haben. Ich kann sie sogar bitten, ein Auge zuzudrücken. Aber ich darf mich nicht auf einen Handel mit Ihnen einlassen, und das wissen Sie, glaube ich, sehr wohl.«
»Sie wollen doch wissen, was mit George Irving passiert ist, oder? Das kann ich Ihnen sagen. Und das werde ich auch, aber nicht ohne diese Zusagen.«
»Womit die Waffe und der Kleinkram gemeint sind, was auch immer dieser Kleinkram ist.«
»Richtig, lediglich ein paar Dummheiten, zu denen es im Verlauf der Sache gekommen ist.«
Darauf konnte sich Bosch keinen Reim machen.
Falls McQuillen gestand, George Irving umgebracht zu haben, waren Anklagepunkte wie das verdeckte Tragen einer Waffe absolut sekundär und unerheblich. Dass sich McQuillen deswegen Sorgen machte, verriet Bosch, dass er keine Schuld an Irvings Ermordung zugeben würde.
Somit würde das Ganze auf die Frage hinauslaufen, wer es hier wem zeigte, und Bosch wollte am Ende auf
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