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Der Widerschein

Der Widerschein

Titel: Der Widerschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schönherr
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wie möglich wolle Meister Bros selbst nach Amsterdam fahren, um sich dort einen Namen zu machen – Gerlach hörte kaum zu, händigte ihr einen großzügigen Geldbetrag aus, ohne die Bilder in der Kiste genauer betrachtet zu haben.
    Bros lieferte gute und solide Werke ab – aber für Amsterdam waren sie nicht gut genug; das erkannte nicht nur Gerlach. Wahrscheinlich wusste Bros das insgeheim sogar selbst.
    Die ersten Male hatte er der Meisterin zugestimmt: ja, ihr Mann solle fahren, Amsterdam, oder bloß Arnheim, dann würden die Bilder mehr einbringen. Gerlach hatte sie einmal an befreundete Händler in den jeweiligen Städten verwiesen, an die er selbst verkaufte – so häufig würde Bros nicht verreisen, und mit einem bekannten Namen würde er wieder über Gerlach verkaufen; denn seine geliebte Heimat, die gab Bros nicht auf.
    Doch mittlerweile war ein Jahrzehnt vergangen, und Bros war nicht ein einziges Mal über die Nachbarstadt hinausgekommen; ohnehin schickte er seit Jahren nur noch seine Frau – Bros und Gerlach hatten sich schon lange nicht mehr gesehen.
    * * *
    Als er wieder allein war, nahm Gerlach die Papierrolle, die der Bilderkiste beigelegt war. Die Rolle war mit einer dünnen Kordel verschnürt, der Knoten saß fest. Während Gerlach versuchte, diesen zu lösen, rief er nach seiner Magd, sie solle etwas zu essen machen, er würde bloß die Blätter durchsehen, er sei sofort bei ihr.
    Als nach zwei Stunden das Essen unberührt und kalt auf dem Küchentisch stand, zog die Magd ihre Brauen vorwurfsvoll nach oben und stellte den Teller auf den Herd. Da sie am Abend noch immer alles wie zuvor vorfand, aber kein Licht mehr brannte, schüttelte sie über die Vergesslichkeit und Arbeitswut ihres Herrn den Kopf und ging zu Bett.
    In der Nacht meinte sie, etwas poltern zu hören – wahrscheinlich rasselten die Hunde des Nachbarn mit ihren Ketten oder die Katzen spielten mit erlegten Ratten.
    Im Morgengrauen stand die Magd auf, fegte im Kerzenschein Stube und Küche, schürte den Ofen, fütterte die Hühner und widmete ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zuletzt Gerlachs Verkaufsraum, in dem an sämtlichen Wänden, in einigen Regalen und auf einem halben Dutzend Staffeleien zahllose Kunstwerke ausgestellt waren.
    Beeindruckende Gemälde, imposante Elfenbein-Schnitzereien und schwere Marmorbüsten; daneben Wandteppiche, Bronzestatuen und Porzellanfiguren – Gerlach behauptete, es gebe hier sogar echte Delfter Fayenceteller zu bewundern. Zwischen all diesen unübersehbaren Schätzen ließen sich aber natürlich ebenfalls zierliche Miniaturen, unzählige Bibelfliesen und ungerahmte Radierungen entdecken.
    Bros’ Werke nahmen in dieser Sammlung einen eher unauffälligen Platz ein.
    Gerlach achtete darauf, dass bei ihm vorrangig hochwertige Exponate angeboten wurden. Das sei er seinen Stammkunden schuldig, von denen er dank seiner langjährigen Tätigkeit als Kunsthändler zum Glück nicht wenige habe. Von einem Geschäftsmann seines Formats könne man eben nicht nur Qualität erwarten, sondern auch Stil, Geschmack und vor allem Ordnung.
    Kunst, das sei das Besondere in der Welt!
    Trotz dieser regelmäßigen Belehrungen gegenüber seiner Magd hatte Gerlach ausgerechnet in diesen heiligen Räumen einmal eine tote Maus gefunden, die furchtbar gestunken hatte – dafür bekam die Magd zwei Tage lang nichts zu essen und musste eine der Katzen im Fluss ertränken.
    Von unerwünschten Tieren fand sich im Verkaufsraum keine Spur – dafür lag Gerlach hinter seinem Verkaufstisch, den Kopf links wie rechts fürchterlich aufgeschlagen, geronnenes Blut klebte an Wangen und Hals.
    Die Magd schrie laut auf, ließ Besen und Kerze fallen, stürzte zu ihrem Herrn, rüttelte, schüttelte ihn – da! Sie sah zur fallen gelassenen Kerze – die fraß sich blitzschnell auf dem Tisch an etlichen Papierrollen satt! Schnell sprang die Magd auf, stolperte zur Küche, langte nach einem halbvollen Eimer, löschte damit das schon hoch lodernde Feuer und traf mit dem Schwall auch noch das Gesicht des Herrn, der daraufhin erwachte.
    Schnell kam die Nachbarschaft zusammen. Innerhalb weniger Augenblicke drängten sich zwei Dutzend neugierige Gesichter um den Verletzten, fragten dies, fragten das – Gerlach schwieg. Dafür erzählte die Magd, was sie erlebt und wie sie den Herrn gefunden hatte. Offene Münder und glotzende Augen folgten ihren Worten und Fingern: Da habe sie gestanden, da der Eimer, dort die Kerze – ein Feuer! – jene

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