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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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vorgezogen hatte zu töten.
    Er hob den Kopf und sah seine Frau an. »Ich habe ihn getötet. Und das wusste Robinson. Und jetzt weiß ich es auch selbst.«

35
    In Ruhe erklärte er Marie alles.
    Sie weigerte sich zunächst, ihm zu glauben. »Es liegt so weit in der Vergangenheit zurück, Tom! Wie kannst du sicher sein, dass es damals wirklich so passiert ist?«
    »Ich bin sicher«, sagte Blaine. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand jemals die Art vergessen kann, auf die er stirbt. Ich erinnere mich an meinen Tod sehr gut. So bin ich gestorben.«
    »Trotzdem kannst du dich doch nicht einen Mörder nennen, nur wegen dieser einen Sekunde, diesem Sekundenbruchteil …«
    »Wie lange dauert es, eine Kugel abzufeuern, mit einem Messer zuzustechen?«, fragte Blaine. »Einen Sekundenbruchteil. So lange, wie es dauert, ein Mörder zu werden.«
    »Aber, Tom, du hattest doch gar kein Motiv.«
    Blaine schüttelte den Kopf. »Es stimmt, dass ich nicht aus Rache gemordet habe. Ich bin eben nicht diese Art von Mörder. Es brachte mir auch keinen persönlichen Vorteil. Ich bin einfach einer von diesen ganz gewöhnlichen Kerlen, die von jedem ein kleines Stückchen in sich haben, auch von einem Mörder. Ich habe getötet, weil ich in jenem
Moment die Gelegenheit dazu hatte. Meine ganz besondere Chance, die sich aus ganz besonderen Umständen ergeben hat, Umstände, die vielleicht nie wieder in meinem Leben zusammengekommen wären.«
    »Aber daran trägst du doch keine Schuld!«, sagte Marie. »Das wäre alles doch nicht passiert, wenn Rex und ich nicht genau diese besonderen Umstände herbeigeführt hätten.«
    »Ja, schon. Aber ich habe die Gelegenheit genutzt«, sagte Blaine, »und einen kaltblütigen Mord daraus gemacht. Nur so zum Spaß, weil ich genau wusste, dass man mich niemals dafür zur Rechenschaft ziehen würde. Es war mein Mord.«
    »Nun … unser Mord«, sagte sie.
    »Ja.«
    »Na gut. Wir sind Mörder«, erklärte Marie ruhig. »Akzeptieren wir es. Wir haben einmal getötet, dann können wir es auch noch einmal tun.«
    »Nie«, sagte Blaine.
    »Er ist fast hinüber, Tom. Ein fester Schlag, und es ist vorbei.«
    »Ich bin nicht diese Art von Mörder.«
    »Dann lass mich es machen.«
    »Diese Art auch nicht.«
    »Du Idiot! Dann tu einfach gar nichts. Warte ab. Einen Monat noch und es ist vorbei mit ihm. Du wartest den Monat ab, Tom …«
    »Noch ein Mord«, sagte Blaine müde.
    »Tom! Du wirst ihm doch nicht deinen Körper geben! Was ist mit unserer gemeinsamen Zukunft?«
    »Glaubst du denn, dass wir nach alldem einfach so weitermachen können? Ich kann es jedenfalls nicht. Also hör auf, mir zu widersprechen. Ich weiß nicht, ob ich genauso handeln würde, wenn es kein Leben nach dem Tod gäbe.
Höchstwahrscheinlich nicht. Aber es gibt es! Und ich will dort mit einem möglichst ausgeglichenen Kontostand auftauchen – ich will alle Rechnungen beglichen, alle Entschädigungen bezahlt haben. Ja, wenn ich nur diese eine Existenz hätte, würde ich mich mit aller Kraft daran klammern. Aber so ist es eben nicht! Verstehst du das denn nicht?«
    »Doch, natürlich.« Aber Marie klang nicht gerade glücklich.
    »Ehrlich gesagt bin ich mittlerweile ziemlich neugierig auf dieses Leben nach dem Tod. Ich will es mir anschauen. Und dann ist da noch etwas.«
    »Was denn?«
    Blaine legte Marie den Arm um die Schultern, da sie so sehr zitterte. Sein Gespräch mit Hull, dem eleganten, aristokratisch anmutenden Opfer, fiel ihm ein.
    Hull hatte gemeint: »Wir halten uns an Nietzsches Diktum – zur rechten Zeit sterben! Intelligente Menschen klammern sich nicht an die letzten Reste des Lebens wie Ertrinkende an einen Strohhalm. Sie wissen, dass das Leben ihres Körpers nur ein unendlich winziger Teil der Gesamtexistenz des Menschen ist. Warum sollten kluge Schüler da nicht die eine oder andere Klasse überspringen?«
    Wie merkwürdig, dunkel und atavistisch, aber zugleich edel ihm Hulls gebieterische Wahl des Todes damals erschienen war! Natürlich auch anmaßend – aber stellte nicht das Leben selbst in dem unermesslichen Universum der leblosen Materie eine einzige Anmaßung dar? Auf Blaine hatte Hull wie ein japanischer Adliger aus grauer Vorzeit gewirkt, der sich hinkniete, um die Zeremonie des Harakiri zu zelebrieren. Durch die bewusste Entscheidung für den Tod hob er die Bedeutung des Lebens erst recht hervor.

    Hull war fortgefahren: »Der Akt des Sterbens durchbricht Klasse und Herkunft. Er ist der Adelsbrief eines jeden

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