Der widerspenstige Planet
dann unter die auf Elderbergs altmodischen, nichtrollenden Gehsteigen flanierenden Männer und Frauen. Er warf vorsichtige Blicke in die Spielhöllen, staunte vor den Geschäften, die »echte Artefakte der ausgestorbenen Marsmenschen« feilboten, starrte durch die Fenster in die Bars und glitzernden Restaurants. Als ihn eine auffällig geschminkte junge Frau ansprach und in Mama Teeles Haus einlud, wo die geringe Schwerkraft besondere Vergnügungen versprach, fuhr er entsetzt zusammen. Er wies sie und ein Dutzend ihrer Kolleginnen ab und setzte sich in einem kleinen Park auf eine Bank, um Ordnung in seine Gedanken zu bringen.
Ringsum breitete sich Elderberg aus, mit all seinen Lastern, aufgetakelt wie eine Dirne, der Crompton mit verächtlichem Kräuseln seiner Lippen seine Abscheu entgegenhielt. Und doch drängte hinter dem verzogenen Mund, den abgewandten Augen und den verächtlich geblähten Nasenflügeln etwas in ihm dieser Menschlichkeit des Lasters
entgegen, wie als Ausgleich auf sein trübes und steriles Dasein.
Aber zu seinem Leid vermochte ihn Elderberg ebenso wenig zu verderben wie zuvor New York. Vielleicht lieferte Edgar Loomis die richtige Zutat.
Crompton begann seine Suche in den Hotels. Er klapperte sie in alphabetischer Reihenfolge ab. Die Portiers der ersten drei Unterkünfte erklärten ihm, sie hätten leider keine Ahnung, wo Loomis sich aufhalte. Sollte er auftauchen, so sei noch die Frage einer unbezahlten Rechnung zu klären. Im vierten Hotel hieß es, Loomis habe sich vielleicht an dem großen Goldsuchertreck nach Saddle Mountain beteiligt. Beim fünften Hotel, einem brandneuen Haus, hatte man von Loomis nie etwas gehört. Im sechsten lachte eine auffällig gekleidete Frau hysterisch auf, als der Name »Loomis« fiel; sie weigerte sich allerdings, ihrerseits Informationen beizusteuern.
Im siebenten Hotel teilte der Empfangschef mit, Edgar Loomis bewohne Suite 314. Im Augenblick sei er zwar nicht da, man könnte ihn aber vermutlich im Red Planet Saloon finden.
Crompton ließ sich den Weg beschreiben, dann drang er mit klopfendem Herzen in die Altstadt Elderbergs vor.
Hier waren die Hotelfassaden schmutzig und verwittert, die Wände fleckig, die Kunststoffe von den jahreszeitlich bedingten Sandstürmen zerfressen. Hier befand sich ein Spielsalon neben dem anderen und aus den Tanzsälen drang mittags wie mitternachts der überwältigende Lärm von Kapellen auf die Straße. Hier drängten sich die Touristen mit ihren Kameras und Tonbandgeräten auf der Suche nach Lokalkolorit, nach jener glamourösen Verderbtheit, die übereifrige Manager dazu gebracht hatte, Elderberg als Ninive der Drei Planeten zu bezeichnen.
Und hier gab es die Safariläden, in denen Reisegesellschaften für den Abstieg in die berühmten Xanadu-Höhlen oder die lange Wüstenfahrt zum Devils Twist ausgerüstet wurden. Hier bot auch der berüchtigte »Laden der Träume« Rauschgifte jeder Art feil, trotz der Bemühungen amtlicher Stellen, solche Geschäfte zu unterbinden. Hier schließlich verkauften die Straßenhändler Steinskulpturen, die angeblich von der Urbevölkerung des Mars stammten, und alles sonst, was das Herz begehrte.
Crompton fand den Red Planet Saloon, ging hinein und wartete, bis er durch die dichten Schwaden von Tabakrauch etwas erkennen konnte. Er beobachtete die Touristen, die in schreiend bunten Hemden die Bar umlagerten, starrte die unaufhörlich plappernden Fremdenführer und die verschlossenen Bergleute an. Er ließ den Blick über die Spieltische mit den kichernden Frauen und ihre männlichen Begleiter schweifen; die meisten verfügten über die begehrte, sanft orangegetönte Bräunung, zu der man, wie es hieß, mindestens einen Monat benötigte.
Dann entdeckte er Loomis. Jeder Zweifel war von Anfang an ausgeschlossen.
Loomis stand am Baccara-Tisch. Er war in Begleitung einer vollbusigen Blondine, die auf den ersten Blick wie dreißig, auf den zweiten wie vierzig und nach eingehender Betrachtung wie fünfundvierzig wirkte. Sie hatte sich völlig auf das Spiel konzentriert; Loomis beobachtete sie mit amüsiertem Lächeln.
Er war groß und schlank. Seine Art, sich zu kleiden, ließ sich am besten mit dem Wort »stutzerhaft« beschreiben. Sein brünettes Haar war glatt zurückgekämmt. Eine nicht allzu anspruchsvolle Frau hätte ihn vielleicht als »gut aussehend« bezeichnet.
Er glich Crompton zwar äußerlich in keiner Weise, aber es gab auch zwischen ihnen eine Art gegenseitigen
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