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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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Instrumente langsamen Tötens, so wirkungsvoll wie ein Henkersbeil oder ein Knüppel.
    Jeder Mensch hat seine kulinarischen Vorlieben. Aber jeder ist auch durch die geschickte Steuerung seines Appetits umzubringen.
    Plötzlich schrie ich meinen Gast an: »Das Restaurant ist geschlossen!«
    »Aber warum denn?«, fragte er.
    »Das Fleisch ist schlecht geworden!«, gab ich zurück.
    »Dann servieren Sie mir eine Rijstaffel ohne Fleisch.«
    »Unmöglich. Es gibt keine Rijstaffel ohne Fleisch.«
    Er starrte mich erschrocken an. »Dann bringen Sie mir ein Omelett, in viel Butter gebraten.«
    »Ich mache keine Omeletts.«
    »Dann ein Schweinekotelett, sehr fett. Oder eine Schüssel gebratenen Reis.«
    »Mijnheer scheint nicht zu verstehen«, erklärte ich. »Ich bereite nur Rijstaffel zu, richtig und so, wie es sich gehört. Wenn das unmöglich ist, koche ich gar nichts.«
    »Aber ich habe Hunger!«, rief er jammernd wie ein Kind.
    »Essen Sie bei Juanito Hummermayonnaise oder Paella im Sa Punta. Es wäre nicht das erste Mal«, erwiderte ich. Ich war auch nur ein Mensch.
    »Das will ich aber nicht«, sagte er, den Tränen nahe. »Ich will meine Rijstaffel!«
    »Dann fahren Sie nach Amsterdam!«, schrie ich ihn an, wischte mit einer dramatischen Geste meine Töpfe mit Sate und Sambals vom Herd und stürmte hinaus. Ich packte ein paar Sachen und fuhr mit dem Taxi nach Ibiza. Von dort aus flog ich nach Rom.
    Ich war grausam zu meinem Gast gewesen, das will ich gern zugeben. Aber es war notwendig gewesen. Er musste
schlagartig mit dem Essen aufhören – und ich damit, ihn zu verköstigen.
    Meine weiteren Reisen sind für diese Beichte nicht von Belang. Ich will nur noch hinzufügen, dass ich jetzt das feinste Rijstaffel-Restaurant auf der griechischen Insel Cos besitze und betreibe. Ich komme zurecht. Ich serviere mathematisch exakt berechnete Portionen, kein Gramm darüber, nicht einmal für meine Stammgäste. Es gibt nicht genug Geld auf dieser Welt, das man mich dazu bewegen könnte, eine zweite Portion aufzutischen oder zu verkaufen.
    So habe ich ein wenig an Tugend gewonnen, aber auf Kosten eines schweren Verbrechens.
    Ich habe mich oft gefragt, was aus dem Amerikaner und aus Pablo wurde, dem ich übrigens den rückständigen Lohn von Rom aus nachsandte.
    Ich versuche immer noch, ein richtiger Maler zu werden.

2
Der Kellner
    Lieber Gott,
    vor einigen Jahren habe ich eine große Sünde begangen. Ich arbeitete als Kellner in einem indonesischen Restaurant in Santa Eulalia del Rio, einem Ort auf Ibiza, einer der spanischen Baleareninseln.
    Ich war damals noch jung, nicht älter als achtzehn. Ich war als Mitglied der Besatzung einer französischen Jacht nach Ibiza gekommen. Der Eigentümer wurde wegen Zigarettenschmuggels festgenommen, das Boot beschlagnahmt, die Besatzung ging auseinander. Ich blieb jedoch auf Ibiza und gelangte schließlich nach Santa Eulalia. Ich
bin Malteser und daher ein Sprachgenie. Die Einheimischen hielten mich für einen Andalusier, die Ausländer für einen Ibizenker.
    Als der Niederländer sein Rijstaffel-Restaurant eröffnete, interessierte ich mich zunächst nicht dafür. Ich half einen Tag bei ihm aus, weil ich nichts Besseres zu tun hatte und weil sonst niemand für den geringen Lohn bei ihm arbeiten wollte.
    Gleich an diesem ersten Tag aber stieß ich auf seine Schallplattensammlung.
    Er hatte eine große Sammlung von Platten aus den Endsiebzigern, darunter viele klassische Jazzaufnahmen. Er besaß ein gutes Abspielgerät, einen brauchbaren Verstärker und Lautsprecher, die damals als erstklassig angesehen wurden.
    Der Mann verstand nichts von Musik und hatte noch weniger Interesse daran. Er betrachtete Musik als bloßes Hintergrundgeräusch beim Essen, als Dekoration wie Kerzen in strohumwickelten Flaschen und Peperoni- und Knoblauchgirlanden an den Wänden. Man machte Musik, während die Leute aßen – das war alles, was ihn daran interessierte.
    Aber ich, Antonio Vargas, den er Pablo nannte, war von einer wahren Leidenschaft für Musik besessen. Schon damals hatte ich Trompete, Gitarre und Klavier spielen gelernt. Was mir fehlte, war eine genauere Kenntnis der amerikanischen Jazzstile, für die ich mich besonders interessierte.
    Ich begriff sofort, dass ich für den Niederländer arbeiten, ja vielleicht sogar so viel verdienen konnte, um davon leben zu können, während ich seine Platten spielte und immer wieder spielte, um die Eigentümlichkeiten der amerikanischen Musik kennenzulernen

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