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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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harmlos.
    Ich wollte diesen Mann ermutigen. Ich begann mich mit seinen Vorlieben zu beschäftigen und mir zu merken, was er nicht mochte.
    Ich servierte die Rijstaffel mit dreizehn Beilagen und verlangte dafür dreihundert Peseten, damals knapp über fünf Dollar. »Rijstaffel« heißt Reistafel. Es handelt sich um die niederländische Abwandlung eines indonesischen Gerichtes. Man stellt den Reis in die Mitte der Tafel und tränkt ihn mit Sajor, einer Art Gemüsesuppe. Dann legt man verschiedene Gerichte um den Reis herum – Daging Kerry, das ist Rindfleisch in Currysauce, Sate Babi, an Spießen gebratenes Schweinefleisch in Erdnusssauce, Sambal Udan, Leber in Chilisauce. Das ist die teure Variante, weil sie Fleisch enthält. Dann gibt es Sambal Telor und Perkedel, Eier in Chilisauce und Fleischklößchen, verschiedene Gemüse und Obstgerichte. Schließlich kommt die Garnierung dazu, wie Erdnüsse, Krabben, geraspelte Kokosnuss, scharfe Kartoffelchips und dergleichen mehr.
    Alles wird in kleinen Schüsseln serviert und erweckt den Eindruck, für seine dreihundert Peseten eine Menge zu bieten. Das stimmt natürlich auch, aber es ist nicht so viel, wie es den Anschein hat.
    Mein Gast aß stets mit großem Appetit und leerte für gewöhnlich acht oder zehn Schüsseln zu etwas mehr als der Hälfte vom Reis. Nicht schlecht für einen Nichtniederländer. Aber damit war ich nicht zufrieden. Mir fiel auf, dass er niemals Leber aß. Ich ersetzte sie durch Sambal Ati, Krabben in Lebersauce. Meine Sates schienen ihm besonders zu schmecken, also vergrößerte ich deren Portionen und gab sehr viel Erdnusssauce dazu.

    Binnen einer Woche konnte ich erkennen, dass er zunahm. Das ermutigte mich. Ich verdoppelte seine Portion Rempejek, Erdnusswaffeln und auch die Fleischklößchen. Der Amerikaner begann zu essen wie ein Niederländer. Er fing an, immer rundlicher zu werden, und ich half ihm dabei.
    Nach zwei Monaten hatte er zehn oder fünfzehn Pfund Übergewicht. Mir war das gleichgültig, ich versuchte, einen Gefangenen meiner Küche aus ihm zu machen. Ich kaufte größere Schüsseln und servierte größere Portionen. Ich ergänzte die Tafel um ein weiteres Fleischgericht, Babi Ketjap, Schweinefleisch in Sojasauce, und ließ die Erdnüsse weg, die er nie anrührte.
    Nach dem dritten Monat befand er sich an der Schwelle zur Fettleibigkeit. Das lag hauptsächlich am Reis und an der Erdnusssauce. Und ich saß in meiner Küche und spielte auf seinen Geschmacksnerven wie ein Organist auf den Tasten seiner Orgel; und er haute richtig rein, das Gesicht jetzt rund und schweißglänzend, während Pablo mit den Gerichten herumjonglierte und die Schallplatten wechselte wie ein Derwisch.
    Es war inzwischen klar, wie sehr der Mann für meine Rijstaffel anfällig war. Seine Achillesferse befand sich sozusagen in seinem Magen. Aber es ließ sich nicht so einfach ausdrücken: Ich musste annehmen, dass der Amerikaner vor seiner Begegnung mit mir als magerer Mensch gelebt hatte. Und was ließ einen Menschen schlank bleiben? Eine Unterlassung, meine ich, der Mangel an einer bestimmten Nahrung, die den besonderen Wünschen seiner Geschmacksnerven wirklich entspricht.
    Nach meiner Theorie sind magere Menschen potenziell dicke Menschen, die einfach nicht die zu ihnen passende, ganz besondere Nahrung gefunden haben. Ich kannte einmal einen dürren Deutschen, der erst zunahm, als er für
eine Baufirma nach Madras musste und sich dem verblüffenden Spektrum südindischer Currygerichte gegenübersah. Ich kannte einen hohlwangigen Mexikaner, der als Gitarrist in Londoner Nachtclubs arbeitete und mir versicherte, dass er in seinem Geburtshaus Morelia stets zunehme; er erzählte mir, dass er überall in Zentralmexiko ordentlich, wenn auch nicht üppig, essen könne, dass aber die Küche von Oaxaca, südlich des Yucatán, für ihn glatt ausscheide, so hervorragend sie auch sei. Und dann gab es noch einen Mann, einen Engländer, der bis zur Ausweisung aller Ausländer fast sein ganzes Leben in China verbracht hatte und mir später erklärte, dass er immer schwächer werde, weil ihm die Küche von Szetschuan fehle, während ihm die von Kanton, Schanghai oder die Mandarin-Küche gar nicht behage; er berichtete, dass die regionalen Unterschiede der Küche in China größer seien als in Europa oder es früher waren und dass sich sein Fall mit dem eines in Stockholm gestrandeten Neapolitaners vergleichen lasse. Er sagte, das Essen in Szetschuan sei stark gewürzt,

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