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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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und mich auf den Beruf des Musikers vorzubereiten.

    Der Mann war damit einverstanden, dass ich seine Platten spielte. Es blieb ihm kaum etwas anderes übrig, denn wer hätte sonst um diesen Lohn bei ihm gearbeitet? Ganz gewiss kein Ausländer. Nicht einmal die Landesbewohner, die sich ärmlich kleiden, meist aber begütert sind.
    Es gab nur mich und ich betrachtete mich allein schon durch Louis Armstrong reich entlohnt.
    Ich sortierte, ordnete und säuberte die Platten, zwang ihn, eine Diamantabspielnadel aus Barcelona kommen zu lassen, stellte die Lautsprecher um, um Verzerrungen zu verhindern, und stellte perfekte Jazzprogramme zusammen.
    Häufig begann ich mit Duke Ellingtons Orchester und »Mood Indigo«, steigerte mich im Mittelteil mit Stan Kenton und schloss zur Beruhigung mit »Bye-Bye Blue« ab, gesungen von Ella Fitzgerald. Das war aber nur eines von meinen Programmen.
    Mir fiel bald auf, dass mein Publikum aus einer Person bestand, mich und den Besitzer des Restaurants, der Ravel nicht von Ravi Shankar unterscheiden konnte, nicht mitgezählt.
    Es war ein hochgewachsener, sehr schlanker, schweigsamer Engländer und offensichtlich ein Jazzliebhaber. Ich sah, dass er im Takt der Musik speiste, die ich spielte, langsam und träge, wenn ich »Caravan« laufen ließ.
    Aber er ging noch mehr mit. Seine Stimmung änderte sich deutlich, wenn ich die Platten wechselte. Ellington und Kenton machten ihn lebendig, er aß überstürzt und schlug mit der linken Hand den Takt, während er mit der Rechten die einzelnen Gerichte der Rijstaffel in sich hineinschaufelte. Charlie Barnet und Parker wirkten dämpfend auf ihn, gleichgültig, welches Tempo sie spielten, und er begann den Mund zu spitzen und die Brauen zusammenzuziehen.

    Wenn man Musiker ist wie ich, möchte man seinem Publikum gefallen, wobei man natürlich immer seiner Sparte treu zu bleiben hat. Also machte ich mich daran, meinen einzigen Zuhörer mit Tönen zu umgarnen.
    Zunächst stützte ich mich stark auf Ellington und Kenton, weil ich noch unsicher war. An Charlie Parkers weitläufige Fantasien konnte ich ihn nie gewöhnen und Barnet schien ihm auf die Nerven zu gehen. Aber ich erzog ihn dazu, Louis Armstrong, Ella Fitzgerald, Earl Hines und das Modern Jazz Quartett zu schätzen. Ich konnte sogar unterscheiden, welche Nummern ihm am besten gefielen, und einen ganzen Abend nur für ihn gestalten.
    Der Engländer war ein wunderbarer Zuhörer. Dafür bezahlte er natürlich einen hohen Preis: Abend für Abend musste er die Rijstaffel des Niederländers essen, eine Zusammenstellung kleiner Schmorgerichte mit verschiedenen Namen, die alle zu stark mit Chilisauce gewürzt waren. Man kam nicht darum herum; der Wirt ermutigte die Leute nicht, in seinem Lokal zu sitzen, ohne zu essen. Wenn man hereinkam, drückte er einem die Speisekarte in die Hand, und sobald man das Besteck weglegte, brachte er die Rechnung. Das mag in Amsterdam üblich sein, in Spanien gehört sich das nicht. Vor allem die Ausländer, die sich spanischer geben als die Spanier, missbilligten das und blieben fort. Als Folge seiner unhöflichen Art musste sich der Mann auf einen einzigen Gast verlassen – auf den Engländer, der eigentlich nur kam, um die Schallplatten zu hören.
    Nach einiger Zeit fiel mir auf, dass mein Zuhörer zunahm. Ich nahm das als Anerkennung für meinen geliebten Jazz und für mich, den Dirigenten und Arrangeur dieser Musik. Jemand, der sich fortwährend durch diese gigantische und unaussprechliche Rijstaffel hindurcharbeitete, musste wirklich ein Musikbegeisterter sein.

    Ich war jung, sorglos, verantwortungslos. Ich achtete nicht auf meine Pflichten als Musiker, nämlich außer Faszination auch Ausgewogenheit und Einkehr zu bieten. Nein, ich war darauf aus, den Mann einzufangen, ihn mit meinen Schallplatten zu gewinnen, ihn zum Sklaven Armstrongs, Ellingtons und meiner selbst zu machen.
    Der Engländer wurde dick. Ich hätte etwas Strenges, Klassisches spielen sollen, Bix Beiderbecke oder einen anderen von den Dixieland-Formalisten. Sie waren nicht nach seinem Geschmack, aber sie hätten ihn vielleicht gezügelt. Ich tat es nicht. Schamlos gab ich ihm, was er wollte.
    Schlimmer noch, ich verdarb meinen eigenen Geschmack, um ihm zu gefallen. Eines Abends ließ ich Glenn Millers »String of Pearls« ablaufen, eine nette Nummer ohne große Ansprüche. Es sollte eine Art musikalischer Scherz sein, aber ich sah sofort, dass der Engländer für Big-Band-Swing

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