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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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wenn es von einem Atom zum anderen reist, auch jedes Mal erwartet, ein Reich unvorstellbarer Neuartigkeit zu betreten. Aber vielleicht sieht sich das Universum im Großen und Ganzen in allen Teilen ziemlich ähnlich. Wie
man die Dinge sieht, hängt ganz von den subjektiven Erfahrungen und Sichtweisen des jeweiligen Betrachters ab.
    Nicht anders verhält es sich mit der sprachlichen Anpassung. Sprechen die anderen hier meine Sprache oder spreche ich die ihre? Das werde ich wohl nie herausbekommen: Man kann nicht mit der Brille, durch die man sieht, die Brille sehen, durch die man sieht.
    Ich befinde mich hier in Mingusville 32 S. Es gibt mindestens vier verschieden uniformierte Polizeitruppen in dieser Stadt – städtische, politische, geheime und Sonderpolizei. Ich habe mir die Tarnexistenz eines nepalesischen Soziologiestudenten zugelegt, der an einer Examensarbeit über »Menschliche Erfüllung dank Konformität« arbeitet. (Ein Thema, das für die Autoritäten sämtlicher Epochen akzeptabel ist und zudem meinen ungewöhnlichen Akzent erklärt sowie die Lücken in meinem Gegenwartswissen.)
    Mingusville 32 S ist ein heruntergekommener Ort mit einigen bemerkenswerten technologischen Rückentwicklungen: dampfbetriebene Wagen, die beispielsweise mit getrocknetem Kuhdung geheizt werden, daneben von Pferden gezogene Karren, auch solche mit Ochsen, Mauleseln oder sogar Kamelen davor. Liegt das daran, dass die fossilen Brennstoffe inzwischen völlig aufgebraucht sind? Und was, um alles in der Welt, ist aus der Atomkraft geworden?
    Mingusville besitzt ein rudimentäres öffentliches Nachrichtensystem, aber nur Staatsbedienstete haben einen privaten Telefonanschluss. Elektrizität ist rar und teuer und ihr Einsatz eher zufällig. Ich schätze, dass zwei Drittel der Häuser ihr Licht von Kerosinlampen erhalten. Kein Gebäude hat mehr als drei Stockwerke. Es sind hässliche Bauten aus Schlackenstein, manche mit Ziegeln oder Backsteinen verkleidet. Das Stadtzentrum wird von einem großen Markt beherrscht, der von riesigen Polizeikasernen
umstanden ist. Mein Eindruck von den Menschen hier ist, dass sie ein ereignisloses, reizloses und mutloses Leben führen. Die daraus resultierende Langeweile spiegelt sich in der Angewohnheit wider, alles stehen und liegen zu lassen, um sich stundenlang mit einem Fremden wie mir zu unterhalten.
    Ich habe erfahren, dass es eine ganze Reihe von Krankheiten in der Gegend gibt, gegen die offenbar nicht viel unternommen wird, dazu gehören Hirnhautentzündungen, Gelbfieber und Kinderlähmung (vor sechs Jahren wurde das Land von Pest- und Choleraepidemien verwüstet). Man sieht viele Bettler auf der Straße, obwohl Betteln vom Imperator verboten ist. Weiße und Schwarze sind in der Bevölkerung etwa gleich stark vertreten. Ich konnte bisher keinerlei soziale Unterschiede feststellen, die mit der Hautfarbe zusammenhängen könnten: Jedem hier scheint es gleich schlecht zu gehen.
    Das einzige Interessante in dieser Stadt ist die Regierung. Hier lebt der Mann, der die ganze Welt beherrscht – der Imperator Mingus. Er ist der uns allen bekannte typische paranoide Faschist, der jeden von jedem in seinem Polizeistaat überwachen lässt. Überall sind Kameras und Aufnahmegeräte versteckt. Es muss Tausende von Metern voller Filme und Bänder geben, Legionen von Leuten, die die Aufzeichnungen überwachen, andere, die die Überwacher überwachen, und immer so weiter, bis an der Spitze der Überwachungspyramide Imperator Mingus als Überwacher aller Überwacher sitzt. Ich hätte nie geglaubt, dass man die Welt auf diese Art unter Kontrolle bekommen kann, aber Mingus scheint recht erfolgreich zu sein.
    Er bedient sich dabei einer geheimen Waffe: Es hat den Anschein, als befinde Mingus sich im Besitz einer Zeitmaschine. Wenn irgendetwas schiefläuft, kann er jedes Mal (abgesehen von einigen natürlichen Einschränkungen) in
die Zeit zurückgehen und es von Anfang an in die richtigen Bahnen lenken. Das ist eine verteufelt gute Methode, um sich alle Führer und Mitglieder irgendwelcher Untergrundbewegungen vom Hals zu halten: Man braucht ihretwegen keine Stadt oder gar Region zu bombardieren, sondern man geht einfach zurück in die Zeit, bevor sie in den Untergrund gingen – sagen wir direkt in ihre zarteste Kindheit -, und tötet sie dort.
    Die Sache hat jedoch auch ihre Unbequemlichkeiten, die in erster Linie physischer Natur sind. Mingus muss alles selbst machen. Er kann seine Zeitmaschine keinem anderen

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