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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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Gesicht. Er hielt einen weißen Schuhkarton mit Skalen, Knöpfen, Schaltern und Glühlampen bestückt in der Hand und irgendwie kam er Charlie bekannt vor.
    »Kenne ich Sie nicht irgendwoher?«, fragte Charlie.
    Der Fremde grinste, sagte aber nichts. Charlie sah ihn sich an, betrachtete den weißen Kittel mit den Ölflecken, die Khakihosen, die McCann-Gesundheitsschuhe …
    »Mein Gott«, stellte Charlie fest, »Sie sehen ja aus wie ich.«
    »Ich bin du«, sagte der Fremde. »Oder du bist ich. Oder, um es noch genauer zu sagen, wir sind beide Charlie Gleister, jeder von einer anderen Zeitspur.«
    »Wie ist das möglich?«, fragte Gleister.
    »Also das ist eine ausgesprochen blöde Frage, wenn du sie stellst«, erwiderte der andere Gleister, »schließlich hast du doch die erste Zeitmaschine der Welt erfunden und bist damit der weltweit führende Experte in allen Fragen über die Natur der Zeit.«

    »Aber bis jetzt habe ich sie doch noch gar nicht erfunden – jedenfalls keine, die funktioniert.«
    »Sicher hast du sie erfunden. Oder du wirst es jedenfalls bald, was schließlich auf dasselbe hinausläuft.«
    »Bist du sicher? Ich scheine bisher immer eine Kleinigkeit falsch gemacht zu haben. Könntest du mir einen Tipp geben, wie ich weiterkomme?«
    »Aber natürlich«, meinte der andere Gleister. »Denke nur immer daran, dass die Realität eine Frage des Standortes ist und dass nichts zum ersten Mal geschieht.«
    »Vielen Dank«, sagte Gleister, nicht sehr überzeugt. »Lass mal sehen, ob ich dich richtig verstanden habe. Ich bekomme meine Zeitmaschine bald in Gang, gehe in die Zukunft, komme von dort wieder zurück und treffe mich selbst, kurz bevor ich die Zeitmaschine erfinde.«
    Der andere Gleister nickte.
    »Ein bisschen unheimlich ist das Ganze schon, meinst du nicht?«
    »Überhaupt nicht«, versicherte der andere Gleister. »Du kommst in die Gegenwart, in unsere jetzt, zurück, um dich zu beschwören, keine Zeitmaschine zu erfinden.«
    »Keine Zeitmaschine zu erfinden?«
    »Genau das.«
    »Moment mal«, setzte Gleister nach. »Nun nochmal ganz von vorn. Ich erfinde eine Zeitmaschine und gehe in die Zukunft und dann komme ich in die Gegenwart zurück und überrede mich dazu, lieber keine Zeitmaschine zu erfinden. Mache ich das wirklich?«
    »Genau das wirst du tun. Aber du brauchst nicht weiter von uns beiden in der ersten Person zu sprechen – wir sind nicht ›ich‹. Wir sind beide Charlie Gleister, aber wir sind trotzdem getrennte Individuen, denn wir stammen von verschiedenen Zeitspuren und wir sind/werden/wurden von unterschiedlichen Erfahrungen geprägt, die wir zu unterschiedlichen
Momenten unserer jeweils subjektiven Zeit machen, gemacht haben oder machen werden. Wenn wir also auch dieselben Leute sind, so sind wir doch verschieden, weil die Realität eben eine Frage des Standortes ist.«
    »Wenn du es sagst, muss es wohl stimmen«, meinte Gleister. »Oder wenn ich es sage … Ich glaube, ich bin gerade dabei, etwas hysterisch zu werden … Warum soll ich denn die Zeitmaschine nicht erfinden, die ich erfunden haben werde?«
    »Weil sie für üble Zwecke missbraucht werden wird.«
    »Kannst du bitte etwas präziser werden?«
    »Du kannst mir ruhig glauben. Ich muss jetzt hier verschwinden. Dass du und ich uns in der Vergangenheit zusammen unterhalten, stellt ein rückschreitendes Zeitparadoxon dar, das sich nur für wenige Minuten halten lässt und sich dann selbst aufhebt. Natürlich gibt es auch vorwärtsschreitende Zeitparadoxa, aber das gehört jetzt nicht hierhin. Du wirst das alles noch selbst erleben. Glaube mir, tu dir selbst etwas Gutes und erfinde keine Zeitmaschine.« Der andere Gleister begann schwach zu schimmern und langsam zu verblassen.
    »He, warte«, schrie Charlie, »da sind noch ein paar Fragen …«
    »Entschuldige, aber ich bin hier eben nur von kurzer Dauer«, antwortete der andere Gleister. Das Schimmern verstärkte sich und seine Gestalt wurde durchsichtig. »Wenn du noch ein letztes Wort zum Abschied hören willst, wie wäre es damit: Ich bin ganz in deiner Nähe!«
    Dann war der andere Gleister verschwunden.

Hauptzeitlinie Gleister, Zeitspur eins:
    Nachdem der andere weg war, brauchte Charlie nur einen kurzen Augenblick, um über die Erfindung einer Zeitmaschine zu entscheiden. Er mochte es nicht, wenn ihm jemand Befehle gab, auch wenn dieser Jemand sich selbst er selbst nannte, was an sich schon fragwürdig war, schließlich war die Realität ja eine Frage des Standortes.

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