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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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und wischte den Staub von dem Einband. »Was Sie da haben, ist eine Rarität.«
    »Tatsächlich?«, murmelte Treggis.
    »Greifen«, sagte der alte Mann grüblerisch, während er das Buch durchblätterte, »sind sehr selten. Es sind sehr seltene … Tiere«, schloss er nach einem Augenblick des Nachdenkens. »Einen Dollar fünfzig bekomme ich für dieses Buch, Sir.«
    Treggis verließ, seine Eroberung unter den dünnen rechten Arm geklemmt, eilig den Laden und ging schnellstens nach Hause. Man kauft schließlich nicht jeden Tag ein Buch über die Pflege und Fütterung von Greifen .

    Treggis’ Zimmer hatte auffallende Ähnlichkeit mit einem Antiquariat. Es herrschte der gleiche Platzmangel, die gleiche graue Staubschicht lag über allem und es gab das gleiche vage sortierte Chaos von Titeln, Autoren und Genres. Treggis hielt sich diesmal nicht damit auf, sich an seinen Schätzen zu weiden. Seine abgegriffenen Wollüstigen Gedichte blieben unbeachtet. Die Psychopathia Sexualis stieß er unbarmherzig von seinem Sessel, setzte sich und fing an, in seiner neuen Errungenschaft zu lesen.
    Es stellte sich heraus, dass eine Menge bei der Pflege und Fütterung von Greifen zu beachten war. Kaum zu glauben, dass ein Geschöpf, das halb Löwe und halb Adler war, dermaßen heikel sein sollte. Treggis stieß auch auf eine interessante Abhandlung über die Fressgewohnheiten des Greifen, ebenso wie auf andere erhellende Informationen. Zur reinen Unterhaltung schien ihm das Greifenbuch mindestens ebenso gut zu sein wie sein bisheriges Lieblingsbuch, Havelock Ellis’ Vorlesungen über Sex.

    Am Schluss stieß er auf ausführliche Anweisungen, wie man in den Zoo gelangte. Die Anweisungen waren, um es vorsichtig auszudrücken, ungewöhnlich.
    Es war weit nach Mitternacht, als Treggis das Buch schloss. Was für eine Ansammlung merkwürdiger Einfälle sich zwischen diesen beiden schwarzen Buchdeckeln befand! Besonders ein Satz ging ihm nicht aus dem Kopf:
    »Die alleinige Nahrung des Greifen besteht aus Jungfrauen.«
    Das beunruhigte ihn. Es schien irgendwie unfair.
    Nach einer Weile schlug er wieder das Kapitel auf, dessen Überschrift lautete: Anweisungen, wie man in den Zoo gelangt.
    Zweifellos waren sie seltsam. Aber doch auch nicht allzu schwierig. Mit Sicherheit erforderten sie nicht zu viel Körperkraft. Nur ein paar Worte, ein paar Bewegungen. Treggis erkannte plötzlich, wie lästig sein Beruf als Bankangestellter war. In jedem Fall war es eine sinnlose Verschwendung von acht wertvollen Stunden eines jeden Tages. Um wie viel interessanter erschien es da, als Tierhalter für die Pflege eines Greifen verantwortlich zu sein. Während der Mauser spezielle dafür vorgesehene Salben zu benutzen, Fragen zur Greifologie zu beantworten, für die Fütterung verantwortlich zu sein. »Die alleinige Nahrung …«
    »Ja, ja, ja, ja«, murmelte Treggis schnell und lief dabei in seinem kleinen Zimmer auf und ab. »Vermutlich nur ein Scherz – aber ich könnte die Anweisungen ja einmal ausprobieren. Nur so zum Spaß.«
    Er lachte unsicher.

    Es gab keinen blendend hellen Blitz, kein Donnergetöse, aber Treggis wurde augenblicklich, wie es schien, an einen anderen Ort versetzt. Er taumelte einen Moment, gewann
dann sein Gleichgewicht wieder und öffnete die Augen. Die Sonne blendete ihn. Als er sich umsah, erkannte er, dass jemand die Aufgabe Die Nachbildung des natürlichen Habitats für den Greifen ausgezeichnet gelöst hatte.
    Treggis setzte sich in Bewegung und hielt sich dabei recht gut, obwohl er am ganzen Leib zitterte und sein Magen sich zusammenzog.
    Dann sah er den Greifen.
    Und im selben Augenblick sah der Greif ihn.
    Zuerst langsam, dann mit ständig wachsender Geschwindigkeit, kam der Greif auf ihn zu. Er breitete die riesigen Adlerschwingen aus, fuhr die Klauen aus und taumelte oder vielmehr segelte in großen, grotesk anmutenden Sprüngen vorwärts.
    Unkontrolliert zitternd, versuchte Treggis ihm auszuweichen. Doch schon war der Greif über ihm, gewaltig und golden im Sonnenlicht, und Treggis schrie außer sich: »Nein, nein! Die alleinige Nahrung des Greifen besteht aus Jung …«
    Das volle Ausmaß der Bedeutung dieses Satzes erkannte Treggis erst, als die Klauen sich um ihn schlossen und ihn hochhoben – und da schrie er noch einmal.

DAS SIEBTE OPFER

    Stanton Frelaine saß an seinem Schreibtisch und gab sich alle Mühe, so beschäftigt auszusehen, wie man es von einem Geschäftsführer um halb zehn morgens erwarten konnte.

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