Der widerspenstige Planet
»Manchmal vermisse ich es schon sehr, den Finger am Abzug spüren zu können.«
Zu seiner Zeit war der alte Mann ein hervorragender Jäger gewesen. Zehn erfolgreiche Jagden hatten ihn zum Mitglied des exklusiven Clubs der Zehn gemacht. Und da
er bei zehn Jagden auch zehnmal hatte Gejagter sein müssen, konnte er insgesamt zwanzig Abschüsse aufweisen.
»Hoffentlich ist mein Opfer kein Kerl, wie du einer warst«, meinte Frelaine in leicht scherzhaftem Ton.
»Da mach dir mal keine Gedanken. Das wievielte Mal ist es jetzt?«
»Das siebte.«
»Sieben ist eine Glückszahl. Halt dich ran«, sagte Morger. »Wir möchten dich bald bei den Zehnern begrüßen können.«
Frelaine winkte ab und ging durch die Tür.
»Sei aber nicht leichtsinnig«, rief Morger ihm nach. »Ein kleiner Ausrutscher, und ich muss mir einen neuen Partner suchen. Falls du nichts dagegen hast, ich würde lieber meinen derzeitigen behalten. Der gefällt mir nämlich sehr gut.«
»Ich pass schon auf«, versprach Frelaine.
Statt den Bus zu nehmen, ging Frelaine zu Fuß zu seinem Apartment. Er brauchte Zeit, um sich erst einmal zu beruhigen. Es hatte keinen Zweck, wenn er sich aufführte wie ein Greenhorn bei seiner ersten Jagd.
Beim Gehen hielt Frelaine den Blick stets geradeaus gerichtet. Jemanden anzustarren, kam einer Einladung zum Selbstmord gleich, falls die Person, auf die man blickte, zufällig ein Opfer war. Manche Opfer ballerten schon los, wenn sie sich nur scharf angesehen fühlten. Nervöse Kerle! Also blickte Frelaine bewusst über die Köpfe derer hinweg, die ihm entgegenkamen.
Über ihm an der Hauswand entdeckte er ein riesiges Plakat, das die Dienste J. F. O’Donovans anbot.
»Opfer!«, verkündete das Plakat. »Gehen Sie kein Risiko ein. Nehmen Sie sich einen voll lizenzierten O’Donovans-Scout. Wir finden Ihren Jäger. Sie zahlen erst, wenn Sie ihn abgeschossen haben.«
Beim Anblick des Plakates fiel Frelaine etwas ein. Er musste Morrow anrufen, sobald er zu Hause war.
Er überquerte die Straße und beschleunigte seine Schritte. Er konnte es kaum noch erwarten, seine Wohnung zu erreichen und den Umschlag aufzureißen, um zu erfahren, wer diesmal sein Opfer war. Würde es raffiniert oder dumm sein? Reich wie Frelaines viertes Opfer oder dumm wie Nummer eins und zwei? Würde es einen Scout haben oder alles alleine erledigen wollen?
Das Blut strömte ihm schneller durch die Adern und sein Herzschlag beschleunigte sich. Das Jagdfieber hatte ihn gepackt. Ein wunderbares Gefühl.
Zwei Straßen weiter fielen Schüsse, zwei kurz hintereinander, dann noch einer. Da hatte es jemanden erwischt, dachte Frelaine. Gut gemacht!
Eine herrliche Sache war das. Er freute sich und spürte mit einem Mal, wie herrlich das Leben sein konnte.
In seinem Apartment rief er als Erstes Ed Morrow an, seinen persönlichen Scout. Zwischen seinen Einsätzen arbeitete der Mann in einer Tankstelle.
»Hallo, Ed. Hier ist Frelaine.«
»Oh, Mr. Frelaine. Hallo. Wie steht’s?« Frelaine konnte sich das hagere, ölverschmierte Gesicht gut vorstellen, das da dünnlippig grinsend über dem Telefon hing.
»Ich hab’s, Ed.«
»Weidmannsheil, Mr. Frelaine! Ich nehme an, ich soll mich schon mal bereithalten?«
»Ja. Ich brauche kaum mehr als eine, höchstens zwei Wochen. Innerhalb der nächsten drei Monate dürfte ich dann meine Benachrichtigung als Opfer erhalten.«
»Also dann. Guten Schuss, Mr. Frelaine!«
»Danke. Bis bald.« Er legte auf. Es war eine kluge Vorsichtsmaßnahme, jederzeit auf einen guten Scout zurückgreifen zu können. Nachdem er sein Opfer erwischt hatte,
würde Frelaine selbst als Gejagter an der Reihe sein. Dann war Morrow wieder einmal seine beste Lebensversicherung.
Und was für einen erstklassigen Scout er da an Morrow hatte! Ein ungebildeter, gewöhnlicher Kerl – aber mit einem ungewöhnlich scharfen Blick für Menschen! Morrow war ein Naturtalent. Er erkannte einen Fremden auf den ersten Blick und besaß teuflisches Geschick beim Fallenstellen. Ein Mann wie Morrow war durch nichts zu ersetzen.
Frelaine nahm sich den Umschlag vor und lachte leise vor sich hin, als ihm einige der Tricks einfielen, mit denen Morrow ihm die Jäger vor die Flinte getrieben hatte. Er zog das Datenblatt heraus.
Janet-Marie Patzig.
Sein Opfer war eine Frau!
Frelaine sprang auf und lief erregt durch sein Apartment. Dann las er den Text noch einmal sehr sorgfältig. Janet-Marie Patzig. Irrtum ausgeschlossen. Eine Frau. Dem Schreiben lagen drei
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