Der widerspenstige Planet
sagte Alfred Simon.
DAS MILLIONENSPIEL
Raeder spähte vorsichtig über die Fensterbrüstung. Er sah die Feuerleiter und unter ihr eine enge Gasse. Dort standen drei Abfalltonnen und ein ziemlich mitgenommener Kinderwagen. Hinter der letzten Tonne tauchte ein schwarzer Ärmel auf mit einer Faust, die etwas Schimmerndes umklammerte. Raeder duckte sich hastig. Eine Kugel pfiff durch das Fenster über seinem Kopf und schlug in die Decke ein. Putz bröselte auf ihn herab.
Jetzt wusste er, dass die Gasse ebenso bewacht wurde wie die Wohnungstür.
Er lag ausgestreckt auf dem rissigen Linoleum, starrte auf das Einschussloch an der Decke und konzentrierte sich auf die Geräusche draußen vor der Tür. Er war ein hochgewachsener Mann mit blutunterlaufenen Augen und einem Zweitagebart. Schmutz und Überanstrengung hatten sein Gesicht verändert, Angst sprach aus seinen Zügen, hatte hier einen Muskel hervortreten lassen, dort einen Nerv zum Zucken gebracht. Das Resultat war verblüffend – sein Gesicht wies zum ersten Mal feste und charaktervolle Züge auf, hervorgerufen allein durch die Nähe des Todes.
In der Gasse hielt sich ein bewaffneter Verbrecher auf, im Treppenhaus waren zwei weitere. Er saß in der Falle. Er war eigentlich schon tot.
Gewiss, dachte Raeder, ich bewege mich noch, ich atme noch, aber das liegt nur an der Trägheit des Todes. In ein paar Minuten würde sich der Tod seiner jedoch annehmen, Löcher in seinen Kopf und seinen Körper brennen, seine Kleidung nach allen Regeln der Kunst mit Blut tränken und
seine Glieder in einer grotesken Variation des Friedhof-Balletts zuckend zum Stillstand kommen lassen …
Raeder biss sich auf die Unterlippe. Er wollte leben. Es musste doch irgendeine Möglichkeit geben …
Er rollte sich auf den Bauch, stützte sich auf die Ellbogen und musterte die schäbige Wohnung, in die ihn die Gangster getrieben hatten. Ein perfekter kleiner Einzimmer-Sarg. Er besaß eine Tür, die unter Beobachtung stand, und eine Feuerleiter, die bewacht wurde. Außerdem gehörte ein winziges, fensterloses Badezimmer zur Wohnung.
Er robbte zum Badezimmer und stand auf. In der Decke befand sich ein gezacktes Loch mit einem Durchmesser von nahezu vierzehn Zentimetern. Wenn er es vergrößern und sich in die Wohnung darüber hochziehen könnte …
Er hörte einen dumpfen Schlag. Die Mörder wurden ungeduldig. Sie hatten begonnen, die Tür gewaltsam zu öffnen.
Nach einem nochmaligen Blick auf das Loch in der Decke verwarf er den Gedanken. Sinnlos, überhaupt daran zu denken. Er konnte es niemals rechtzeitig vergrößern.
Sie warfen sich gegen die Tür, bei jedem Aufprall fluchten sie lauter. Bald würde das Schloss auseinanderbrechen, oder die Scharniere würden sich aus dem verfaulten Holz lösen. Die Tür würde ins Zimmer stürzen und die beiden Männer mit den ausdruckslosen Gesichtern würden hereinkommen, ihre Jacketts kurz ausklopfen …
Aber irgendjemand würde ihm doch gewiss helfen! Er nahm den winzigen Fernsehempfänger aus der Tasche. Das Bild war verschwommen, doch er machte sich nicht die Mühe, es scharf einzustellen. Der Ton kam klar und deutlich aus dem winzigen Lautsprecher.
Er hörte, wie die sonore Stimme Mike Terrys zu der riesigen Zuschauermenge sprach.
»… furchtbare Situation«, sagte Terry gerade. »Jawohl, liebe Zuschauer, Jim Raeder ist in einer wirklich entsetzlichen Lage. Er hatte sich unter einem falschen Namen in einem drittklassigen Hotel am Broadway eingemietet, wie Sie sich entsinnen werden. Dort schien er in Sicherheit zu sein. Aber der Hotelpage erkannte ihn und verriet der Thompsonbande sein Versteck.«
Die Tür ächzte und knarrte unter den heftigen Stößen. Raeder umklammerte das kleine Fernsehgerät und hörte der Stimme weiter zu.
»Jim Raeder konnte gerade noch aus dem Hotel entkommen! Hart verfolgt, betrat er das Wohnhaus in der West End Avenue mit der Nummer 156. Er hatte vor, über die Dächer zu fliehen. Und es hätte klappen können, verehrte Zuschauer, es hätte beinahe geklappt. Aber die Tür zum Dach war abgesperrt. Das Ende schien nahe … Dann stellte Raeder fest, dass Apartment No. 7 unbewohnt war. Er flüchtete sich in die Wohnung …« Terry machte eine Kunstpause, dann rief er: »Und jetzt sitzt er dort in der Falle, wie eine gefangene Maus! Die Thompsonbande bricht die Tür auf! Die Feuerleiter wird bewacht! Unsere Kameraleute, die von einem Gebäude in der Nähe aus arbeiten, vermitteln Ihnen jetzt Nahaufnahmen. Sehen
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