Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
kulminierten in diesem Augenblick, in dem religiöse Phantasie zu einer vorWissenschaftlichen Tatsache wurde. Und während er die junge Frau betrachtete, kam er zu dem Schluss, dass sie keine Enttäuschung war. Sie war sehr groß und sehr schön. Trotz ihres geschorenen Kopfes und des unter einer silbernen Kapuze verborgenen Gesichts konnte Kondratjew erkennen, dass sie wie geschaffen dafür war, die Herzen der Männer zu stehlen … und natürlich auch ihre Seelen.
Eine Göttin, in der Tat. Eine Göttin mit Ambitionen, deren Durchkreuzung Kondratjew sein Leben gewidmet hatte.
Sobald die Dogaressa Platz genommen hatte, wurde es mucksmäuschenstill. Die Versammelten betrachteten den großen Gegenstand, der vorne neben dem Rednerpult unter einer Staubdecke verborgen war. Es musste das geheimnisvolle Artefakt sein, um dessentwillen sie gekommen waren, und das für die Spannung verantwortlich zeichnete, die im ganzen Saal mit Händen zu greifen war.
Jetzt schlenderte de Nostredame, zerzaust wie eh und je, nach vorne an das Rednerpult. »Guten Tag, verehrte Exzellenz, meine Damen und Herren. Mein Name ist Michel de Nostredame, ich bin Professor für Geschichte der VorGefangenschaft an der Universität für MetaPhysikalische Forschung in Venedig.«
Kondratjew bemerkte, wie de Nostredames Hände zitterten, und tatsächlich hatte er allen Grund, nervös zu sein. Ihm oblag die beängstigende Aufgabe, die Dogaressa hinters Licht zu führen, eine der intelligentesten Bewohnerinnen der Demi-Monde, und sie davon zu überzeugen, dass die Säule eine Botschaft vermittelte, die in Wirklichkeit eine ganz andere war. Doch nur, wenn ihm das gelang, war der wahre Messias sicher.
Wie immer, wenn er nervös war, nuckelte de Nostredame an seiner Pfeife und blies dicke Rauchwolken an die Decke. Es sah beinahe so aus, als fürchtete er sich anzufangen. Kondratjew musste laut husten, damit er endlich mit seinen Ausführungen begann.
»Das Artefakt, über das wir heute sprechen wollen, wurde auf dem Grund der Lagune von Venedig entdeckt, etwa neunzig Meter von der südlichen Grenze Venedigs entfernt. Vor seiner Entdeckung und seiner anschließenden Bergung hatte es dort seit undenklichen Zeiten ungestört gelegen.«
Er sah eine Weile zur Decke des Auditoriums auf, offensichtlich auf der Suche nach einer Eingebung. »Wie Sie sicherlich alle wissen, ist ManteLit, der Stoff, aus dem die Säule besteht, das härteste Material, das der MenschHeit bekannt ist. Nur das UrVolk konnte es bearbeiten. Es ist immun gegen Stahl, Feuer und sogar nanoBites, und nur aufgrund seiner unverwüstlichen Natur konnte es so lange makellos überdauern.« Er beugte sich vor und zog an einer Kordel, woraufhin die Staubdecke hinunterfiel. »Meine Damen und Herren, Locis Säule.«
Das Kunstwerk enttäuschte nicht, es war wirklich prachtvoll. Die sechs Meter hohe Säule stand auf einem sechseckigen Sockel, der ebenfalls von einer Decke verhüllt war, und bot einen atemberaubenden Anblick. Das fehlerfreie ManteLit, aus dem es bestand, leuchtete unheimlich und grün im Licht der Deckenlampe. Kondratjews Aufregung sprang auf den Rest des Publikums über. Als der Schleier gefallen war, ging ein kollektives Raunen durch den Saal, und die Zuschauer beugten sich auf ihren Sitzen vor.
Kondratjew warf einen verstohlenen Blick auf Lady IMmanual und bemerkte zu seinem Erstaunen, dass ihr eine Träne über die Wange rann. Dann hörte er sie sagen: » Exegi monumentum aere perennius. «
Er hatte bereits vermutet, dass die Lady mit den alten Sprachen der Demi-Monde vertraut war und daher auch die Redensarten der Alten kannte, in diesem Fall Horaz. Jetzt hatte er den Beweis. Automatisch übersetzte er den Spruch: »Ich habe ein Denkmal errichtet, dauerhafter als Erz.«
Es blieb ihm keine Zeit, über dieses bemerkenswerte Ereignis nachzudenken, denn sobald das Stimmengewirr verstummt war, fuhr Professor de Nostredame mit seinem Vortrag fort. »Wie Sie sehen«, daraufhin ließ ein Assistent die Säule auf ihrem Sockel rotieren, »sind fünf Seiten der Säule mit Versen beschrieben – der Edda-Erzählung von Loci, verfasst auf UrVölkisch A, der ältesten aller Runensprachen. Vor der Entdeckung dieser Säule war es niemandem gelungen, diese Runen zu entBabelisieren.«
Wieder erhob sich ein aufgeregtes Murmeln im Saal. Indem er behauptete, endlich das rätselhafte UrVölkisch A entziffert zu haben, drohte de Nostredame damit, die VorGeschichtliche Katze zwischen den
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