Der Widerstand
zerstören, dass sich nicht mehr nachvollziehen lässt, wie technologisch fortgeschritten sie waren, als wir hier eingetroffen sind. Angesichts der Haltung des Rates, was den ursprünglichen Erkundungsbericht angeht, und nach den deutlichen Worten der Vizesprecherin Koomaatkia vermute ich, dass die Hegemonie eine Auslöschung der Menschen nicht als allzu tragisch aufnehmen wird. Natürlich wird keiner von ihnen ehrlich genug sein, das auch auszusprechen. Es ist in diesem Zusammenhang auch denkbar, dass sie sich unter solchen Umständen gar nicht näher mit dem technologischen Niveau der Bewohner befassen, da sie nicht wollen, dass Fragen zu ihrer eigenen Einstellung und zu ihrem Verhalten laut werden. Wenn es also auch ein schrecklich unglücklicher Umstand wäre, sollte eine unserer sorgfältig bewachten und begrenzten Biowaffen zu etwas mutieren, das die gesamte Planetenoberfläche mit einer tödlichen Seuche überzieht, könnte sich der Rat in einem solchen Fall überraschend … verständnisvoll zeigen. Schließlich wissen wir doch alle«, sagte er und bleckte seine Eckzähne vollständig, »dass Unfälle nun mal passieren können.«
.V.
»Ich frage mich, ob sie ihn ertränken wird«, überlegte Captain Pieter Stefanovich Ushakov laut, während er seine Tochter beobachtete, die dem älteren ihrer beiden jüngeren Brüder einen finsteren Blick zuwarf.
»Ich glaube kaum«, erwiderte seine Frau ruhig.
Vladislava Nikolaevna Ushakovna war eine große, schlanke Frau, blond wie ihr Ehemann, aber mit einem deutlich ruhigeren Wesen. Im Gegensatz zu Pieter, der in der Oblast Ternopil in der westlichen Ukraine geboren und dessen Familie nach Kiew gezogen war, als er elf war, stammte Vladislava aus Kiew. Sie war es auch, die dem damals vierzehnjährigen Pieter diesen riesigen See gezeigt hatte, worüber er noch heute froh war – und das nicht nur wegen der schönen Erinnerungen an Mondlicht, warme Decken und sanfte Küsse, auch wenn diese Dinge ganz entscheidenden Anteil daran hatten, dass die Erinnerungen so angenehm waren. Im Moment jedoch schienen jene Tage unendlich weit in der Vergangenheit zu liegen, da seine Frau damit beschäftigt war, ihren Jüngsten – den dreieinhalb Jahre alten Grigori – davon abzuhalten, sein Lieblingsbild aus seinem Lieblingsbuch herauszureißen. Sie, Pieter und Grigori saßen in einem Picknick-Unterstand, von dem aus sie das ausladende Kiew-Reservoir nördlich der Stadt entlang des Dnepr überblicken konnten. Die Frühlingssonne war warm, der Tag war noch jung, und auf dem dunkelblauen Wasser des Sees tummelten sich zahllose kleine Boote.
Das Wasser war zudem tief genug, um einen nervtötenden kleinen Bruder loszuwerden, überlegte Pieter.
»Ich weiß nicht«, sagte er und grinste flüchtig. »Ich an ihrer Stelle würde ihn vermutlich ertränken.«
»Findest du nicht, dass das gleich als erste Reaktion ein wenig übertrieben ist?«, fragte Vladislava. »Ich meine, wenn er damit weitermacht …«
Die beiden sahen sich an, und Pieter begann zu lachen. Mit ihren zwölf Jahren war Daria bereits eins fünfzig groß, und wahrscheinlich würde sie die nächsten zwanzig Zentimeter auch noch bewältigen, um die Größe ihrer Mutter zu erreichen. Allerdings war nicht damit zu rechnen, dass ihr im Alter von sechs Jahren geäußerter Ehrgeiz genügte, um sie auch noch die eins fünfundachtzig ihres Vaters zu überbieten. Ruslan dagegen, der zwei Jahre jünger war als sie, hatte gerade erst einen Wachstumsschub hinter sich gebracht, wodurch er nun zwei Zentimeter größer war als seine Schwester. Seit er ihre Größe erreicht hatte, waren ihm nur noch Witze über kleine Leute über die Lippen gekommen, und jetzt, da er tatsächlich auf Daria herabblicken konnte, fand sie ihn nur noch unausstehlich. Vor allem konnte sie es nicht leiden, wenn ihr Vater auch noch so taktlos war und darauf hinwies, dass sie ihren Bruder nie wieder würde einholen können, auch wenn sie noch so oft mit einem eigenen Wachstumsschub antwortete. Was Ruslan anging, hatte der Kinderarzt sie schon wissen lassen, dass er am Ende Pieter um sechs bis sieben Zentimeter übertreffen würde.
»Der Junge könnte eine Zukunft im Basketball haben«, meinte er nun.
»Oh, es wäre bestimmt großartig, ihm das in Darias Gegenwart zu erzählen«, konterte Vladislava kopfschüttelnd. »Warum findest du das nicht jetzt gleich heraus? Wenn du dich beeilst, erwischst du sie noch, bevor sie auf dem Boot sind. Ach ja, und nimm auch gleich
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