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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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gewöhnlich erst eine lange, zärtliche Unterhaltung mit meinem Vater haben,bevor sie zu mir heraufgestiegen käme, außerdem pflegte sie meine Ruhezeit zu achten, also setzte ich ohne viel Bedenken das Begonnene fort.
    Später erfuhr ich durch Mariette, daß die Herzogin, da sie meinen Vater nicht daheim fand und anscheinend ganz erhitzt, ganz aufgeregt war, »die Wangen«, sagte Mariette, »wie gebläht von einer großen Neuigkeit, die Euch betraf, mein Liebling, und die sie Euch natürlich gleich mitteilen wollte«, daß also die Herzogin beschloß, unverweilt zu mir hinaufzusteigen, obschon es ihr schwerfiel, die Wendeltreppe zu erklimmen, weil sie sich am Vortag einen Knöchel verstaucht hatte und am Stock gehen mußte. »Aber, Mariette«, sagte ich, »hät test du sie nicht unter irgendeinem Vorwand davon abhalten können?« – »Wie sollte ich! Ihr kennt doch Ihre Hoheit! Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, könnten selbst die Arquebusiere des Königs sie nicht daran hindern!«
    Ich hörte ihren Schritt und ihren Stock auf dem Gang, der zu meiner Kammer führte, und wie sie noch draußen triumphierend rief: »Aufgewacht, Söhnchen! Ihr werdet Page des Königs von Frankreich!« Im nächsten Augenblick ging die Tür auf, und ein Donnerwetter brach über uns herein.
    Es brach nicht sofort. Zuerst gab es diese seltsame Ruhe vor dem Sturm. Als ich mich aus Toinons Umschlingung freigemacht hatte (nicht ohne Mühe, denn sie hatte nichts gehört, weil sie dem Diesseits schon entronnen war) und aus dem Bett sauste, hastig in meine Hosen fuhr und zur Tür lief, sah ich die gute Herzogin wie angenagelt auf der Schwelle stehen. Ihre Augen, die an sich schon groß, aber vor Verblüffung nun noch größer waren, wanderten von Toinon zu mir und von mir zu Toinon, als könne sie nicht glauben, was sie sah: eine Szene, die doch immerhin beredt genug war, um ihr zu bestätigen, daß sie sich nicht täuschte. Gleichwohl sah ich, wie die Augen der Herzogin, blau hin, blau her, immer schwärzer wurden und daß das Unwetter nun losbrechen mußte. Tatsächlich, kaum daß sie wieder zu Atem, Besinnung und Sprache gekommen war, platzte die Wolke über unseren Köpfen.
    »Was ist das? Was ist das? Was muß ich sehen? In Eurem Alter, Söhnchen! Und vor meinen Augen! Die Spatzen beim Vögeln! Und das an dem Tag, da ich Euch verkünde, daß der König Euch zum Pagen macht! Wie, Ihr rammelt wie eineRatte im Stroh! Und noch dazu mit einer dreckigen Spülmagd!«
    Sie hielt inne, die Stimme blieb ihr weg.
    »Frau Herzogin«, sagte Toinon, rot vor Scham und Zorn, während sie mit zitternden Fingern ihr Mieder zu schnüren versuchte, »ich bin keine dreckige Spülmagd. Ich bin Soubrette in diesem Haus.«
    »Zum Teufel mit der Ausverschämten! Sie antwortet auch noch! Diese ausgelutschte Hure wagt es, mir zu widersprechen!«
    »Frau Herzogin«, sagte Toinon, vorschnellend wie eine kleine Schlange, »wer die außereheliche Liebe liebt, sündigt gewiß, ist aber deshalb noch längst keine Hure. Sonst müßte man so manch eine in diesem Land so nennen! Und wer weiß was für hohe Damen auch, die sich nicht mal mit ihrer Jugend entschuldigen können wie ich.«
    Bei diesem Biß, auf den sie nicht gefaßt war, da er von so weit unten kam, brüllte meine arme Patin auf wie eine verwundete Löwin und trat in ihrem unberatenen Zorn den Rückzug an.
    »Pest über die Schamlose! Wie, sie wagt es! So ein kleines Stück Scheiße stinkt nicht nur: es öffnet auch noch sein kleines Drecksmaul! Hinaus, Luder!« schrie sie, und ihre Stimme gellte, »hinaus, Satansbraten! Ich jage dich augenblicklich davon! Los, ab in dein Loch, pack deinen Kram und verschwinde! Daß ich dein widerwärtiges Gesicht nicht noch einmal hier sehe!«
    »Meine liebste Patin« rief ich, denn ich fand, daß die Sache nun wirklich zu weit ging.
    Aber zwischen zwei so scharfen Zungen kam ich zu keinem weiteren Wort. Meine kleine Schlange erhob aufs neue das Haupt und zielte geradewegs auf den schwachen Punkt dieser Philippika, wobei sie zeigte, daß, wenn es hart auf hart und Gift gegen Gift ging, die Soubrette und die Hoheit einander ebenbürtig waren.
    »Frau Herzogin«, sagte sie, »bei allem schuldigen Respekt (den aber ihr Auge und ihr Ton verleugneten), »ich bin hier im Dienst des Herrn Marquis de Siorac. Er hat mich eingestellt, weil ich wahrscheinlich nach seinem Geschmack bin, und nur er kann mich entlassen, niemand anders.«
    Man muß schon zugeben, daß dieses »nach

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