Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
seinem Geschmack« von einer seltenen Bosheit war, denn als Mariettes gute Freundin eingeweiht in sämtlichen Hausklatsch, wußte Toinon natürlich um die große Liebe meiner Patin zu meinem Vater.
»Wie?« kreischte die Herzogin, »du wagst es, mir zu trotzen, Bettlerin!«
Und schneller, als man es einem verstauchten Knöchel zugetraut hätte, marschierte sie auf den Feind los und schwang ihren Stock. Ich konnte gerade noch das Ende packen und so rasch an mich ziehen, daß ich ihr den Stock ungewollt aus der Hand riß.
»Söhnchen!« rief sie, indem sie sich halb schmerzlich, halb wütend zu mir umwandte, »Ihr tut mir Gewalt an? Mir, Eurer Patin und gewissermaßen Eurer Mutter?«
Hier lachte Toinon schändlicherweise auf, was den Zorn der Herzogin verdoppelte, so daß sie mit bloßen Händen auf die Soubrette losstürzte. Weil ich mich aber dazwischenwarf, der ich größer und sicherlich stärker war als sie, traf sie in ihrer bösen Raserei nun mich. Der Schlag kam nicht mit der flachen Hand, sondern mit dem Handrücken, und ein großer Diamant, den sie am Ringfinger trug, verletzte meine Wange.
Ich wankte nicht und schaute sie nur wortlos an. Und dieser Blick war schließlich die einzige gute Antwort, die ich ihr geben konnte, denn sie wurde augenblicks ruhig und stand sprachlos vor mir, und Tränen schossen ihr aus den Augen. Ich schämte mich sehr für sie, daß sie ihrer Seele so wenig Herr war und sie vor einer Dienerin weinte, die ihr so hart widerstanden hatte, deshalb schickte ich Toinon unverzüglich auf ihr Zimmer. Mein Ton duldete keinen Widerspruch, sie blieb stumm und gehorchte, doch warf sie mir einen sehr ungehaltenen Blick zu und kehrte mir einen bebenden Rücken, den ich voll Bedauern entschwinden sah: er war sehr hübsch.
Ich glaubte, klug gehandelt zu haben, als ich sie wegschickte. Es war das ganze Gegenteil. Denn auf dem Weg begegnete Toinon meinem Vater, der soeben nach Hause kam. In ihrer Empörung und in ihrer Auslegung erzählte sie ihm alles: von den Beschimpfungen, dem Stock, dem Hinauswurf, meiner Ohrfeige. Alles, was ich stark abgemildert hätte, wenn ich selbst es meinem Vater hätte berichten können, damit er sich nicht übermäßig gegen meine arme Patin erzürnte.
Sowie Toinon fort war, nahm ich Madame de Guise in meine Arme und begann sie zu liebkosen, wie ich es meinen Vater oft hatte tun sehen, da ich trotz meines Alters wohl fühlte, daß in ihr ein Kind steckte, mit dem man behutsam umgehen müsse, so roh sie mich auch behandelt hatte. Die Arme brachte kein Wort heraus. Ihr wurde schwach, und nachdem ich sie gesetzt hatte, kniete ich bei ihr nieder, nahm ihre (sehr kleinen) Hände in die meinen und fuhr fort, auf sie einzureden, ohne groß zu beachten, was ich sagte, wohl wissend, daß es jetzt nicht so sehr auf die Worte ankam, sondern auf den Ton, die Stimme, den Blick.
Hierauf betrat mein Vater den Raum, sein Schritt hämmerte den Fußboden.
»Wie das, mein Sohn!« sagte er laut, »Ihr leckt die Hand, die Euch geschlagen hat! Habe ich Euch nicht hundertmal gesagt und durch mein Beispiel gelehrt, daß man mit dem sanften Geschlecht nicht zu sanft umgehen darf, wenn es diese Sanftheit selbst vergißt? Fühlt Ihr Euch zum Märtyrer berufen? Und Ihr, Madame, weint, wie es aussieht! Das wurde auch Zeit! Konntet Ihr nicht ein Zipfelchen Verstand finden, um nachzudenken, bevor Ihr solche Torheiten begeht und mein Haus auf den Kopf stellt? Ihr beschimpft meine Leute! Hebt den Stock gegen sie! Wollt sie verjagen! Ihr ohrfeigt meinen Sohn! Verflixt, Madame, bin ich noch Herr in meinem Haus? Soll ich Euch Schlüssel und Herrschaft übergeben, wenn Ihr mir die Ehre Eures Besuches erweist?«
Beim ersten Wort dieser Strafpredigt war ich aufgestanden, höchst betreten, daß ich sowohl von der Herzogin wie von meinem Vater getadelt worden war. Letztlich aber war ich nicht unzufrieden, vom »Herrn im Haus« zu hören, daß die Toinon betreffenden Verfügungen der Herzogin in sich zusammenfielen. Eben das entnahm auch sie seinen Reden, allerdings in einem anderen Gemütszustand als ich. Denn ihre Tränen versiegten so schnell, wie sie geflossen waren, sie stand auf, bedeutete mir, ihr den Stock zu geben, und trat erhobenen Hauptes vor meinen Vater.
»Monsieur«, sagte sie, »heißt das, Ihr wollt die Dirne behalten, nachdem ich ihr befohlen habe, ihren Kram zu packen? Diese Person, die ich dabei überrascht habe, wie sie mit meinem Patensohn vögelte?«
»Was ist daran
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