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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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zuspreizen, hielt ich mich an die letztere Vorstellung, und ich erinnere mich noch, wie verblüfft und empört ich drei Jahre später war, als eine Person, der ich den Hof machte, mich abblitzen ließ.
    In der Unterhaltung mit Toinon kehrte ich, stolz auf meinen Rang sowie auf mein kleines Wissen, ziemlich gerne den Herrn heraus. Aber sobald es zu Taten kam, war ich klug genug, mich ihrer Erfahrung anzuvertrauen und ihr die Führung und Lenkung des Gespanns zu überlassen. Und das tat sie wirklich aufs beste, denn sie ließ es nicht dabei bewenden, mich schlau zu machen. Sie lehrte mich auch das Vorspiel und all die Liebesdienste, die, wie sie sagte, jede Frau bei einem Galan wenigstens ebenso schätzt wie die Männlichkeit.
    So sehr und sooft ich sie indessen darum bat, ich konnte sie nie bewegen, daß sie die Nacht mit mir verbrachte. Sie behauptete, dann könnte die andere Kammerfrau, mit der sie das Bett teilte, nicht ruhig schlafen. Für den Augenblick glaubte ich ihr, später nicht mehr, denn ich bemerkte nur zu bald, daß unsere Liebschaft im ganzen Hause kein Geheimnis war. Also dachte ich nun, Toinon, die große Schlafmütze, wolle einfach auf ihre Kosten kommen. Aber auch das war nicht der Grund. Ich erfuhr ihn erst viel später aus dem Munde von Mariette, als Toinon uns längst und von meinem Vater gut belohnt verlassen hatte, um einen Bäcker zu heiraten. »Eine Schlafmütze, Monsieur?« sagte Mariette, »da seid Ihr aber auf dem Holzweg! Man hatte ihr befohlen, Euren Nachtschlaf zu respektieren, weil man ja wußte, daß die heiße Dirne nicht bloß mit einer Arschbacke dranging, und befürchtete, daß sie Euch aussaugt bis aufs Mark.«
    Meine arme Friederike, die mich nie mehr allein treffen durfte und, wenn sie mich sah, sich nicht einmal mehr getraute, meine Hand zu berühren, sandte mir aus ihren großen blauen Augen trostlose Blicke. Es bedrückte mein Gewissen, wenn ich sie so traurig sah, während ich fröhlich war und meine Studien und meine Leibesübungen mit neuer Kraft betrieb. Und manchesmal fragte ich mich, weshalb der Grund, den mein Vater genannt hatte, als er uns das gemeinsame Schlafen verbot, nicht auch für Toinon galt. Unverblümt fragte ich es die Betroffene. Sie lachte nur: »Weil ich, mein Schatz, gelernt habe«, sagte sie, »mich vor der Falle zu schützen!Liebe Zeit, wenn ich so viele Kinder bekommen hätte, wie ich Galane hatte, wär ich schon verhungert, und die Kinderchen auch.«
    Wenn ich heute daran denke, bewegt es mich schon ein wenig bitter, daß meine arme kleine Milchschwester zumindest in dieser Welt für ihre Tugend schlechter belohnt wurde als Toinon für ihre Sünden.
    Mochte ich auch erst zwölf sein, niemand hätte mich, wie den jungen Herzog von Guise, schmähen können, meine Zeit nicht zu nutzen. Jeden Morgen hatte ich von sieben bis elf Uhr meine Lektionen bei Monsieur Philipponeau, Monsieur Martial und Geneviève de Saint-Hubert. Nach einem kurzen Imbiß um elf nahm ich eine Stunde Unterricht in der berühmten Reitschule von Monsieur de Pluvinel und eine Stunde Fechten bei Monsieur Garé, einem Schüler des großen Silvie. Stets wohnte mein Vater diesen Übungen bei und legte bisweilen selbst gern einen Gang mit Monsieur Garé ein, so trefflich focht er noch immer.
    Am Nachmittag, nach einer ebenso leichten Erquickung wie der ersten, hielt ich auf Anweisung meines Vaters eine einstündige Ruhe, während der ich, offen gestanden, mehr träumte als schlief. Danach machte ich mich an die Lektüre und die Übungen, die meine Lehrer mir aufgetragen hatten. Mit dieser Aufgabe war ich bis sechs Uhr beschäftigt, dann speisten wir zu Abend, mein Vater, Monsieur de La Surie und ich.
    Seit allerdings Toinon in mein Leben getreten war, wichen die Träumereien meiner Siesta faßbareren Wonnen. Sie brachten mir eher Erholung als Ruhe, aber lebhaft und unermüdlich, wie ich in dem Alter war, brauchte ich auch weniger Schlaf als Entspannung, denn mein Tagespensum war streng: sogar die Abendmahlzeit wollten mein Vater oder Monsieur de La Surie nicht verstreichen lassen, um meinen Kenntnissen auf den Zahn zu fühlen oder sie zu mehren, und es gab tatsächlich nur die Nacht, wo ich nicht lernte.
    Es war an einem Dienstagnachmittag, ich pflückte mit Toinon in meiner Kammer die Rosen des Lebens, als ich eine Kutsche in unseren Hof rollen hörte. Da die Herzogin von Guise uns an jedem Dienstag besuchte, zweifelte ich nicht, daß sie es sei, dachte jedoch, sie werde wie

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