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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Dank, indem sie von mir so wenig Notiz nahm wie von dem Diener. Ihr Gehirn mußte seit dem Vortage wie wild gearbeitet haben, und sie dachte nicht daran, von dem Gipfel herabzusteigen, den sie in ihrer Einbildung über Nacht erklommen hatte.
    Nun konnte ich da nicht stehenbleiben wie ein Trottel, meine
Astrée
in der Hand und dem königlichen Bett so nahe, als hätte ich vor, zu lauschen. Also zog ich mich in den Hintergrund zurück, und durch eine Drehung, die gewiß von niemandem bemerkt wurde, so fest waren aller Augen auf den König und Charlotte de Montmorency gerichtet, stellte ich mich so, daß ich freie Sicht auf die beiden Sprechenden wie auch auf das Tischchen in der Gasse hatte, wo Bassompierre saß, der die ganze Zeit, die diese Unterhaltung dauerte – und sie dauerte sehr lange –, sich gesenkten Auges amüsierte, die Säulen der Ecus vor sich zu stapeln, auseinanderzunehmen und neu zu stapeln, aber so achtsam, daß er dabei kein Geräusch machte.
    Ich hörte kein Wort von allem, was nun zwischen dem König und Mademoiselle de Montmorency gesprochen wurde, so sehr dämpfte Henri, Kopf an Kopf mit ihr, seinen Ton. Es mutete an wie eine seltsame Beichtsitzung, wo man aber, anstatt Sünden zu bekennen, mit halben Worten auf ihre Erfüllung hinwirkte.
    Charlotte hörte mehr zu, als sie sprach, doch trug ihr schönes Gesicht eine engelhafte Unschuld zur Schau, die anscheinend durch nichts zu trüben war. Da tauschte man ihr als treuer Untertanin des Königs und sehr gehorsamer Tochter des Konnetabels den Ehemann aus und gab ihr für einen sehr schönen einen sehr häßlichen, aber sie zuckte nicht einmal mit der Wimper. Ganz im Gegenteil, sie schätzte sich überglücklich, wiederum den Willen ihres Vaters und damit des Königs ihres Herrn zu erfüllen, der sie einer Zuneigung versicherte, die sie dankbarst empfing. All das sagte ihr Gesicht, dafür hätte ich meine Hand ins Feuer gelegt.
    Die Unterhaltung dauerte eine gute halbe Stunde, dann kam Vitry mit der Herzogin von Angoulême zurück. Der König sah es, er verabschiedete Mademoiselle de Montmorency, welche sich über und über strahlend und in ihren hehren Aussichten hoheitvoller denn je erhob. In dem Moment sah Bassompierre von seinen Ecus hoch. Sie wich seinem Blick nicht aus, sondern schaute ihn ruhig aus ihren azurblauen Augen an und zuckte, indem sie an ihm vorüberging, die Achseln.
    Bassompierre erblaßte, die schöne Ordnung seiner Züge zerfiel, und er verharrte, als hätte ihn diese Gorgone, einfach indem sie ihn ansah, zu Stein verwandelt.
    »Alsdann, spielen wir!« sagte der König, dem Charlottes Achselzucken ebenso wohlgetan, wie es Bassompierre geschmerzt hatte. »Wer ist dran?«
    »Bassompierre«, sagte Roquelaure.
    »Bassompierre, würfele!« sagte der König.
    Blaß und abwesend tastete der Graf, ohne hinzusehen, nach den drei Würfeln auf dem Tisch und warf sie in den Becher, dann schüttelte er diesen in seiner Rechten endlos hin und her, anscheinend ohne daran zu denken, daß er ihn einmal stürzen müsse. Es war, als spielte er um seinen Kopf, oder zumindest um sein Schicksal, so lange zögerte er, die Würfel auf den Tisch zu kippen, um die Punkte zu zählen. Seltsam, niemand, auch nicht der König bedrängte ihn, nicht einmal mit einer spöttischen Bemerkung. Ein lastendes Schweigen herrschte um den Tisch, das einzig durch das Geräusch unterbrochen wurde, das die drei kleinen Elfenbeinwürfel machten. Und wiewohl dieses Geräusch an sich nichts Unheimliches hatte, erhielt es durch die Blässe des Grafen, durch seine abwesende Miene und die Tatsache, daß er die Würfel in dem Lederbecher beließ, etwas Bedrohliches.
    Ich fragte mich, wie lange dieses seltsame Spiel noch dauern würde, ohne daß jemand auch nur den kleinen Finger hob, als Bassompierre ihm von selbst ein Ende setzte. Er stellte den Becher aufrecht auf den Tisch, zog rasch sein Taschentuch aus dem Ärmelaufschlag seines Wamses, rollte es zusammen, hielt es sich unter die Nase und sagte mit erstickter Stimme: »Er laubt gütigst, Sire, daß ich die Partie verlasse und mich zurückziehe. Ich blute aus der Nase.«
    »Geh, mein Freund«, sagte der König.
    Und als Bassompierre aufstand und zur Tür ging, blickte er ihm mit Augen nach, in denen Mitleid und Triumph um den Vorrang stritten. Dann wandte er sich an mich und sagte voll Güte: »Geh, Siorac, der Comte ist dein Freund. Begleite ihn nach Hause.«
    Ich gehorchte, reichlich erschüttert durch das, was ich mit

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