Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
armen Dingern, die sich gleich hingeben wie ich. Für solche Täubchen braucht es Kniefälle, Handküsse, Komplimente und Liebesbriefe. Kurz, Formen und Schleifen. Aber was kommen muß, kommt, da bin ich sicher.«
Daß sie mich dessen kraft ihrer Erfahrung versicherte, erfüllte mich mit Freude, obwohl ich mir alle Mühe gab zu verhehlen, welche Flügel sie meinen innigsten Hoffnungen soeben verliehen hatte.
»Toinon«, sagte ich, indem ich auf und ab durch den Raum ging und mich ihr unmerklich näherte (ich schäme mich, es zu gestehen, aber mich drängte die Begierde, sie in die Arme zu nehmen, so verliebt ich auch in meine Gräfin war), »Toinon, ich frage dich noch einmal, wieso verletzt dich dieses Gefühl?«
»Monsieur«, sagte sie, »könnt Ihr nicht verstehen, daß ich mir wünschte, nicht in der Vorstadt Eures Vergnügens zu wohnen, sondern mitten in der Stadt und auch in Euren Träumen, wenn Ihr mich schon haben wollt?«
Das war gut gesagt, und so stolz, daß ich meine hinterhältigen Annäherungen abbrach. Seit fünf Jahren hatte ich mit Toinon einen Umgang, der mir äußerst angenehm war, der aber dermaßen von selbst zu laufen schien, daß ich mich nie gefragt hatte, wie sie darüber dachte. Nun, jetzt wußte ich es: am selben Tage, da ich sie verlieren sollte.
»Toinon«, sagte ich, und meine Kehle war wie zugeschnürt, »heißt das, mit unserer Siesta ist es vorbei?«
»So ist es, Monsieur«, sagte sie tonlos. »Ich habe Meister Mérilhou mein Wort gegeben und will es halten.«
Ich betrachtete sie verdutzt. Sie stand stocksteif, aber zwei Tränen kullerten über ihre Wangen. Ich besann mich nicht lange, ob ich recht oder unrecht tat: ich stürzte hin und schloß sie in meine Arme. Sie ließ mich gewähren, und weil sie mir ihren Mund verwehrte, küßte ich sie auf den Hals. Da wurde es noch schlimmer: wie oft hatte ich in den fünf Jahren meine Lippen dorthin gesetzt.
»Oh, Monsieur!« sagte sie, »Ihr weint ja auch!«
Und sie riß sich aus meinen Armen los, lief und schlug dieTür hinter sich zu. Und ich stand da, vollkommen verwirrt. Klar war nur eines: ich sehnte mich bereits nach ihr.
Ich streckte mich aufs Bett, ohne große Hoffnung zu schlafen, trotz meines ermüdenden Aufenthaltes im Louvre und der großen Bestürzung, in die mich diese Szene versetzt hatte. Dennoch geschah es, daß ich allmählich einschlummerte, und so tief, daß ich, als Franz mich wachrüttelte, um mir auszurichten, mein Vater erwarte mich in der Bibliothek, zwei Minuten geschlafen zu haben meinte und nicht zwei Stunden, wie er mir sagte.
Mein Vater wärmte sich vor einem guten Feuer und hieß mich neben sich in einem Lehnstuhl Platz nehmen.
»Ich denke«, sagte er, »Ihr werdet nicht allzu glücklich sein, daß Toinon weggeht? Obwohl die Geschichte mir schon seit einiger Zeit zu brüten schien, hat mich ihr Entschluß doch überrascht. Offenbar erträgt sie den Gedanken nicht, eine Rivalin zu haben.«
»Aber«, sagte ich nach einem Zögern, »Frau von Lichtenberg ist für sie doch keine Rivalin.«
»Sie denkt das Gegenteil, und, um offen zu sein, ich gebe ihr nicht unrecht. Frau von Lichtenberg hätte Euch schon hinausbefördert, wenn Eure Verehrung ihr mißfallen hätte. Und sie ist keine dieser erzkoketten, kalten und herzlosen Pariserinnen, die einen Mann wie eine Marionette an Fäden tanzen lassen, um ihre Eitelkeit zu befriedigen. Ulrike ist eine ernsthafte, empfindsame Deutsche, die sich Probleme macht. Ihr seid für sie eines – durch Euer Alter. Aber mich dünkt, sie wird bald wissen, wie sie es löst.«
Diese Worte waren mir ebenso peinlich, wie sie mir wohlgefielen. Und ich war heilfroh, daß die Scheite im Kamin so lebhaft flammten: sie boten mir einen Vorwand, die Augen dahin zu richten und den Blick meines Vaters zu meiden. Da er schwieg und auf eine Entgegnung zu warten schien, verbreitete ich mich lieber nicht über meine ungewissen Aussichten und sagte: »Wer hätte gedacht, daß Toinon so unerbittlich sein würde?«
»Das war sie immer!« sagte er. »Habt Ihr vergessen, wie sie damals mit Eurer Patin aneinandergeriet? Zwischen der Herzogin und der Soubrette, glaubt mir, besteht nur ein kleiner Unterschied: die eine trägt einen Reifrock, die andere einenCotillon. Das ist alles. Eine Frau bleibt, Gott sei Dank, immer eine Frau.«
Dieses »Gott sei Dank« machte mir Freude, denn es sagte mir, daß mein Vater glücklich war.
»Findet Ihr«, sagte ich nach einer Weile, »daß ich Toinon
Weitere Kostenlose Bücher