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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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eines Blickes zu würdigen. Ich fand, es war eine Grausamkeit, einer liebenden Frau so etwas zu sagen. Die Ärmste sah ganz verstört aus, als traue sie ihren Ohren nicht und schwanke ratlos zwischen Stolz und Tränen.
    Als mein Vater in seinem Auf und Ab uns einmal den Rücken zuwandte, flüsterte ich meiner Patin ins Ohr: »Gebt nach, Madame, gebt nach!«
    Sie gab nach, in ihrer Einfalt aber auf eine Weise, die sich als schlimmer erwies als ihre Auflehnung.
    »Gut denn, Monsieur«, sagte sie, »wir wollen nicht mehr zanken, und obwohl ich mir sicher bin, daß ich recht habe, muß ich die Waffen strecken, Ihr seid ein zu großer Tyrann. Gleich morgen gehe ich zu Seiner Majestät und sage, daß Ihr die gewährte Gunst nicht wollt.«
    »Beim Himmel, Madame!« brüllte mein Vater, indem er die Hände hilfeheischend zum Himmel streckte, »tut das ja nicht! Wollt Ihr meinem Sohn und mir den Haß des Königs zuziehen? Ihr kennt doch seine Launen und seinen Zorn, so gütig er auch von Herzensgrund ist. Madame, ich bitte Euch, laßt ein für allemal die Finger davon! Ihr habt genug angerichtet. Laßt mich den Knoten allein entwirren und die beste Lösung suchen.«
    »Bin ich denn so ungelenk, daß ich vor dem König nicht die richtigen Worte finden würde?«
    »Nein, Madame«, sagte mein Vater, allmählich ruhiger, »Ihr seid nicht ungelenk. Ihr seid schlimmer: unüberlegt. Und weil wir schon dabei sind, uns die einfachsten Sachen beeiden zu lassen, schwört, ich bitte Euch, schwört mir, daß Ihr Seiner Majestät kein Wort davon sagt oder daß Ihr am besten seine Nähe meidet, so lange ich die Geschichte nicht mit ihm geklärt habe.«
    »Ich schwöre es, Monsieur«, sagte sie, indem sie ihre blauen Augen in einer Weise auf ihn richtete, die trefflich zeigte, daß sie, wenn sie ihren Rang vergaß, meinen Vater sehr wohl zu nehmen wußte.
    Hierauf trat ein kleines Schweigen ein, die Blicke begegneten sich, was die Dinge meines Erachtens beilegte, gleichwohl ging das Streiten weiter, aber in einem Ton, der erraten ließ, daß es nur mehr um den Ehrenpunkt und darum ging, dem anderen nicht zu schnell nachzugeben.
    »So, so, Madame«, sagte mein Vater mit gerunzelten Brauen, aber schon halb schmunzelnd, »ich bin in Euren Augen also ein großer Tyrann? Ihr schont mich nicht gerade, finde ich.«
    »Und ich, Monsieur, wäre nach Euren Worten eine dumme Fliege?«
    »Habe ich dumme Fliege gesagt?« fragte meine Vater, eine Braue hebend.
    »Gewiß.«
    »Dann bitte ich um Vergebung. Mit Rücksicht auf Euer reizendes Geschlecht sollte es Biene heißen. Und um eine so hübsche blonde Biene wie Euch wiederzufinden«, sagte mein Vater in einem zugleich spöttischen und galanten Ton, »würde ich mich in den brausendsten Bienenkorb stürzen.«
    »Ich weiß nur nicht, ob ich eine Biene sein möchte«, sagte die Herzogin. »Eine Biene sticht und stirbt.«
    »Das ist der Unterschied, Madame: Ihr stecht, aber Ihr sterbt nicht.«
    »Wie?« sagte sie mit der drolligsten Miene, »Ihr findet, ich steche?«
    »Achtet nur, daß Euer Stachel sich nicht verirrt!« sagte mein Vater, der
giochi di parole
1 fast ebenso liebte wie Monsieur de La Surie.
    »Wann denn? Wie denn?«
    »Nun«, sagte mein Vater und zog heftig die Luft um sich ein, »mir scheint, daß es hier nach Faß stinkt.«
    »Oh, wie könnt Ihr so boshaft sein!« sagte sie, indem sie ihm einen kleinen Klaps auf die Finger gab, der eher einer Liebkosung glich. »Seit den zwölf Jahren, die ich Euch kenne ...«
    »Dreizehn«, sagte mein Vater mit einem Blick auf mich.
    »Seitdem jedenfalls habe ich diesen Scherz mehr als zehnmal gemacht.«
    »Vielleicht war es einmal zuviel. Oder die Würze stimmte nicht.«
    »Wieso?«
    »Zuviel Essig, zuwenig Öl.«
    »Was kann ich tun, damit das Verhältnis besser wird?« sagte meine Patin mit einem entzückenden Glanz in den Augen. »Würde ein Lächeln genügen?«
    »Zu schwach als Gewürz. Ein bißchen mehr Körper müßte es haben ...«
    Hierauf mußte die Herzogin lachen, und da ich ja sah, worauf die Neckerei hinauslief, machte ich mich lautlos davon, und ich tat gut daran, denn ich war noch keine zehn Schritte weit auf dem Gang zur Wendeltreppe, als ich den Riegel meiner Kammertür knirschen hörte, den ich eine halbe Stunde früher klüglich selbst hätte vorschieben sollen.
    Auf der ersten Stufe der Wendeltreppe fand ich meine Toinon sitzen, nur daß ich sie im Dunkeln zuerst nicht gesehen hatte und an ihr vorbeigehen wollte, da aber faßte sie

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