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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Ihr also besser weggekommen?«
    »Nein, Herr Marquis, denn entgegen dem Versprechen der Kommissare mußten wir auch noch das Bußgeld zahlen.«
    »Ein abscheulicher Mißbrauch!« sagte mein Vater zu mir. »Und vermutlich war schon der erste einer, nämlich dem Polizeileutnant sein Amt zu verkaufen. Was kann ich für dich tun, Toinon?«
    »Herr Marquis, ich wäre Euch unendlich dankbar, wenn Ihr Gelegenheit fändet, dem Herrn Polizeileutnant zu sagen, daß wir beides bezahlt haben, Bußgeld und Büchse, denn es könnte ja sein, die Büchse hat ihn nie erreicht und ist in den Taschen der Kommissare geblieben.«
    »Das könnte tatsächlich sein. Da siehst du, mein Sohn, wie ein erster Mißbrauch einen ganzen Schwall von Mißbräuchen nach sich zieht und wie eine Bestechung die andere zeugt ... Toinon, mein Kind, gehe hin in Frieden. Heute nachmittag spreche ich mit dem Polizeileutnant. Er soll wissen, daß du doppelt bezahlt hast, und auch, daß ich ein guter Freund von Monsieur de Sully bin. Ich halte nichts von Verordnungen, die dem Handwerker unter dem Vorwand, die Gewichte zu prüfen, seinen Gewinn abpressen, gleichviel ob er Buden- oder Ladenhandel betreibt.«
    »Mit Eurer Erlaubnis, Herr Marquis«, sagte Toinon sehr würdevoll: »Meister Mérilhou und ich, wir haben Ladenhandel.«
    Daran erkannte ich ganz meine Toinon wieder, die sich von jeher mit dem gleichen Stolz zu behaupten wußte wie eine Herzogin.
    »Ich werde es nicht vergessen«, sagte mein Vater.
    Toinon sagte ihm tausend Dank und ging nach zwei vollendeten Reverenzen. Später erfuhren wir durch Mariette, daß sie maskiert wie eine Standesperson zu uns gekommen war und in Begleitung einer Magd. Trotzdem berichtete die gute Gevatterin dies ohne jegliche Galle, denn jetzt bewunderte sie Toinon im Gegensatz zu früher, als diese noch bei uns lebte. »Sie hat ihre Sache gut gemacht«, war ihre stehende Rede. Außerdem zeichnete Toinon sie immer vor allen anderen Kunden aus, nannte sie »Madame«, küßte sie auf beide Wangen, erkundigte sich nach unser aller Gesundheit und legte ihr zu dem Weichbrot, das sie für uns einkaufte, jedesmal noch ein kleines Brot mit Nüssen oder Rosinen für ihren eigenen Gebrauch.
    »Herr Vater«, sagte ich, nachdem sie gegangen war, »be steht denn zwischen Buden- und Ladenhandel ein so großer Unterschied?«
    »Ein riesiger! Ein Laden wie der von Mérilhou hat eine Werkstatt dahinter, einen Hof mit Brunnen, Wohnräume und einen Speicherboden. Eine Bude ist eine Art hölzerner Schuppen, der gerade nur mit einem Dach an einer Mauer klebt, meistens auch noch ohne jede Gewerbeerlaubnis. Das beste Beispiel, das ich Euch dafür nennen kann, sind die Buden, die sich dicht an dicht an der Mauer des Friedhofs der Unschuldigen Kinder hinziehen und die Rue de la Ferronnerie verengen, obwohl diese Straße der geradeste und meistbefahrene Weg durch die Stadt ist. Als Heinrich II. sie eines Tages in seiner Karosse entlangfuhr, steckte er eine gute Stunde in einem Knäuel von Gefährten fest und war darüber so zornig, daß er anderntags durch ein Edikt befahl, die Buden abzureißen. Aber wie so oft in diesem Reich blieb das Edikt totes Papier, die Buden an der Rue de la Ferronnerie verschwanden nicht etwa, sondern wucherten sogar noch wie die Warzen und verstopfen bis zum heutigen Tag die Straße.«
    ***
    Mit dem größten Unbehagen bezogen wir am sechsten Juli abermals unser teures Kämmerchen in Samois, das so wenig Möbel hatte, daß man sich auch bei Tage auf die Roßhaarmatratzen am Fußboden legen mußte, wenn man nicht stehen wollte. Dieser Luxus kostete uns einen Ecu, und mein Vater knirschte mit den Zähnen. Aber immer noch besser dieser Notbehelf, den man uns ohnehin nur auf Bitten und gutes Zureden gab, als sich in seiner Karosse zusammenzukauern wie so viele Damen und Herren, die morgens nach schlafloser Nacht ganz zerknittert aus ihren unbequemen Lagern hervorgekrochen kamen. Von dem Schweiß und Ärger ganz zu schweigen, den die endlose Reise von Paris nach Fontainebleau mit sich brachte, wo ein jeder nur Schritt fahren konnte und die Pferde mit den Köpfen immer ans Hinterende der vorderen Karosse stießen.
    »Aber was sollte man machen?« sagte mein Vater, als wir uns gegen Abend dort auf unsere Matratzen streckten und unsere vom Fahrtgestucker schmerzenden Rücken auszuruhen versuchten. »Der König hätte es uns nie verziehen, wären wir dieser Hochzeit ferngeblieben, die er für den glanzvollsten Erfolg seiner

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