Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
funkelnden Augen. »Ich kann ihr befehlen, hier zu bleiben, und Euch genauso.«
»Und wozu, Sire?« schrie der Prinz. »Ist es nicht sehr übel von Euch, daß Ihr mit der Frau Eures Neffen schlafen wollt?«
»Was redet Ihr da? Ich wünsche nur ihre Zuneigung.«
»Ach, und nur aus Zuneigung, Sire, unterhaltet Ihr mit ihr eine Geheimkorrespondenz? Die Sache ist nur zu eindeutig, darüber klatscht der ganze Hof: Ihr wollt mein Gesicht mit Schande überziehen.«
»Da ist schon Schande genug!« sagte der König voll Wut, »Ihr hurt mit Euren Pagen, schwul, wie Ihr seid! Wäret Ihr kein Prinz, hätte das hohe Gericht Euch längst abgeurteilt und verbrannt!«
»Sire, ist das eine Drohung? Was würde die Christenheit sagen, wenn der König von Frankreich seinen Neffen auf den Scheiterhaufen schickte, um mit seiner Nichte zu vögeln? Das ist denn doch zuviel der Tyrannei!«
Das Wort »Tyrannei« brachte den König völlig außer sich, denn jesuitische Theologen hatten einen Unterschied hergestellt zwischen einem König, dessen Untertanen sein Leben zu achten hätten, und einem, der ohne Sünde getötet werden dürfte, wenn er sich in einen Tyrannen verwandele. Offensichtlich bestimmten allein die Jesuiten, wer zu töten sei und wer nicht.
»Niemals!« brüllte Henri und hob die Arme gen Himmel, »niemals habe ich im Leben Tyrannei geübt, außer indem ich Euch als das anerkannte, was Ihr nicht seid: als den Sohn Eures Vaters! Euren wahren Vater, den zeige ich Euch in Paris, wann immer Ihr wollt!«
»Hat er das wirklich gesagt?« fragte La Surie entsetzt.
»Es wird behauptet.«
»Was für ein grausames Wort! Es erstaunt aus dem Munde eines so gütigen Mannes, und es paßt nicht zu ihm.«
»Ach was!« sagte Bassompierre unbeirrbar, »Liebe heißt Narrheit, Chaos, verkehrte Welt: auf einmal wird der Dümmstewitzig, der Klügste dumm, der Boshafte freundlich und der Empfindsame hart.«
»Und der Prinz?« fragte mein Vater.
»Außer sich vor Wut, mißachtete er das Verbot des Königs, nahm sich selbst Urlaub und ging mit seiner Frau auf sein Schloß Vallery. Ah, Marquis! Das hättet Ihr mit erleben sollen! Unsere Sonne ging unter. Wir stürzten in schwärzeste Tiefen. Fontainebleau war nur mehr eine steinige Wüste, und Malherbe erhielt den Auftrag, seine Muse unter Wasser zu setzen. Sie weinte wunderschön, denn ihre Tränen flossen zur heimlichen Freude des undankbaren Malherbe und füllten seine Börse.«
»Monsieur«, sagte ich, »da Ihr die Dichtkunst liebt, solltet Ihr Malherbe eine Pension gewähren. Wie ich höre, ist er arm.«
»Schöner Neffe, das kann ich nicht: da Bellegarde ihn vorher hatte, würde es heißen, ich ahmte ihn nach ..., aber ich werde ihn der Königin empfehlen, wenn ich auch bezweifle, daß sie Verse von Prosa unterscheiden kann.«
»Und der König?« fragte La Surie ungeduldig.
»Er befahl Sully ein weiteres Mal, die Pensionszahlungen für den Prinzen einzustellen, und schrieb dem Prinzen in den schärfsten Worten, er habe sich mit der Prinzessin unfehlbar am siebenten Juli zur Hochzeit des Herzogs von Vendôme 1 mit Mademoiselle de Mercœur in Fontainebleau einzufinden. Ihr werdet Euch übrigens selbst überzeugen können, ob das Prinzenpaar sich diesem Befehl fügt.« Bassompierre erhob sich und sagte mit der elegantesten Verbeugung: »Seine Majestät lädt Euch, Marquis, durch meinen Mund zur Hochzeit des Herzogs von Vendôme am siebenten Juli ein, ebenso den Chevalier de Siorac und den Chevalier de La Surie.«
Hierauf erwies er uns dreien abermals eine Reverenz und sagte zu meinem Vater: »Marquis, mit meinem besten Dank für dieses köstliche Mahl bitte ich darum, mich verabschieden zu dürfen. Es ist spät, und ich werde erwartet.«
Mein Vater geleitete ihn in den Hof zu seiner Karosse. Dann gesellte er sich zu uns, die wir in der Bibliothek bei weit offenen Fenstern die Abendfrische und einen Himmel genossen,den der Vollmond und zahllose Sterne so erhellten, daß wir die Taubenhäuser, die Zinnen, die Turmhauben und die Spitztürme unserer großen Stadt sehen konnten wie am Tag.
»Vielleicht erklärt Ihr mir das Rätsel«, sagte La Surie. »Der König soll doch der Verneuil einmal anvertraut haben, daß der Prinz sein Sohn sei, aber laut Bassompierre hätte der König zu demselben Prinzen gesagt, er könne ihm seinen Vater in Paris zeigen, wann immer er wolle.«
»Ach«, sagte mein Vater, indem er sich in einen Lehnsessel warf, »so wird eben Geschichte geschrieben: im
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