Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Stadt Fontainebleau samt umliegenden Dörfern acht Tage lang hätte zehren können. Ich tauschte mit meinem Vater und La Surie Blicke und Seufzer: aber noch trennte uns eine sehr lange Messe von diesen Wonnen.
Verglich man Henri mit jenen anderen in seinem Schatten, wirkte er ebenso blühend, fröhlich, spottlustig und verjüngt, wie Condé, Conti und der kleine Vendôme trübsinnig aussahen. Aber eine Stunde verging, und keine Damen erschienen. Ungeduldig befahl Henri seinem ersten Kammerdiener, sich bei Ihrer Majestät nach dem Grund der Verspätung zu erkundigen. Beringhen kam nach zehn Minuten zurück, und sein langes Gesicht war ob seines Mißerfolgs noch länger.
»Sire, die Königin sagt, die Damen seien gleich fertig.«
»Gleich!« sagte der König und fluchte. »Wir warten jetzt eine Stunde!«
Und da man nicht ohne sie in die Kapelle einziehen konnte, ließ er Stühle und Schemel bringen, damit sich die wichtigsten Leute seines Gefolges setzen könnten – zu denen wir nichtgehörten, so daß wir uns, zu unserem erbärmlich leeren Magen, auch noch die Beine in den Bauch standen.
Wieder verging eine Stunde.
»Bassompierre«, sagte der König, »da die Damen so vernarrt in dich sind, sieh zu, ob du ihnen nicht ein wenig Beine machen kannst.«
»Ach, Sire!« sagte Bassompierre, »schön wär’s, wenn meine Macht so weit reichte!«
Dennoch ging er und blieb so lange aus, daß man darüber schon zu witzeln begann. Gleichwohl kam er mit tiefernster Miene wieder.
»Sire«, sagte er, »es besteht keine Hoffnung, fürchte ich. Die einen sind fertig, die anderen nicht. Und jene, die längst fertig waren, lassen sich mittlerweile von neuem frisieren.«
»Allewetter! Dann stehen wir heute abend noch hier!« sagte der König. »Könnten wir nicht wenigstens die Königin, die Herzogin von Mercœur und die Braut haben, damit die Hochzeit anfangen kann?«
»Ebendas wagte ich vorzuschlagen, Sire. Aber die Damen schrien auf: Sie kämen alle zusammen oder gar nicht.«
»Oder gar nicht!« sagte der König. »Wer hat ›gar nicht‹ gesagt?«
»Die Königin, Sire.«
»Dann hilft alles nichts!« sagte Henri seufzend. »Dann heißt es warten.«
Aber er sagte es, ohne sich zu erbosen oder auch nur die Brauen zu runzeln, denn die Freude, daß er die Prinzessin wiedersehen sollte, hob ihn über die kleinen Dornen des Lebens empor. Ohne weiteres stand er auf, ließ sich von Monsieur de Beringhen Königskrone und Mantel abnehmen und entfernte sich von dem trübsinnigen Trio der Prinzen von Geblüt, indem er sich im bloßen Wams unter die Höflinge mischte, diesen anrief, jenen foppte und sich in Spaß und Lachen erging.
»Der König ist ja bester Laune!« raunte mir mein Vater ins Ohr. »Sein Gesicht strahlt genauso wie seine Kleider.«
»Ja, mit der Rückkehr von, Ihr wißt schon, wem«, sagte La Surie, »denkt der König, das Ziel sei nahe. Aber ich wette, da wird er enttäuscht werden. Die Schöne wird ihm noch tüchtig zu schaffen machen, Bassompierre dixit.«
»Was hat Bassompierre gesagt?« fragte der Genannte, derhinter uns auftauchte und meinem Vater einen Arm um die Schultern legte. »Nein, nein, Ihr müßt es nicht wiederholen, ich hab es gehört. Meine Freunde, Ihr seht blaß und abgezehrt aus. Wie geht es Euch?«
»Schlecht«, sagte La Surie. »Wenn mein Hunger noch lange dauert, verschlinge ich den Herrn Bischof von Paris samt Roben, Mitra und Kreuz.«
»Taugt er soviel wie unsere Wirtin?« fragte ich lachend.
»Allemal! Ein Kapaun ist besser als eine Henne!«
»Da es ein Prälat ist, stinkt dies ein wenig nach Faß«, sagte Bassompierre.
»Habt Ihr keinen Hunger, Graf?« fragte mein Vater.
»Mitnichten, ich wurde soeben von den Damen gelabt.«
»Herr im Himmel! Sie essen!«
»Ich würde sagen, sie stopfen sich.«
»Und womit?«
»Mit Bonbons, Marzipan und Konfitüren. Ihre Friseusen haben reichlich vorgesorgt. Nichts schlägt dem schönen Geschlecht härter auf den Magen, als sich die Haare kräuseln zu lassen.«
»Elende Verräterinnen!« sagte mein Vater.
»Marquis, das würdet Ihr nicht sagen, wenn Ihr wüßtet, daß man Eurer gedacht hat.«
»Wer ist ›man‹?«
»Erratet Ihr es nicht?«
Damit zog er aus seinem schimmernden Wams eine goldene, rubinbesetzte Bonbonbüchse, öffnete sie und sagte: »Stellt Euch alle drei um mich her, damit die anderen Ausgehungerten es nicht sehen. Nein, nein, nur keine Scheu! Eine liebende Hand hat diese Büchse für Euch gefüllt. Greift zu!«
Was
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