Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
diese Idee in den Kopf gesetzt hat. Und die Galigai hat sie beim täglichen Frisieren darin befestigt. Aber ich meine, daß die Königin sich auch des Rates und der Zustimmung der Minister Villeroi und Sillery versichert hat, die Ihr, Marquis, der spanischen Partei zurechnet, die ich aber vorsichtiger die Friedenspartei nennen will.«
»Was Euch«, setzte mein Vater hinzu, »wenn der König den Krieg erklärt, nicht im mindesten hindern wird, ein Kommando in seinem Heer zu übernehmen.«
»Bin ich nicht der Pfarrsohn dessen, der Pfarrer ist?«
»Jedenfalls«, sagte mein Vater, »hat der König nach langen ehelichen Debatten der Krönung schließlich zugestimmt, obwohl er die Königin für wenig urteilsfähig hält?«
»Er hat sich einverstanden erklärt, um im Falle seines Todes die Nachfolge für den Dauphin zu sichern«, sagte Bassompierre. »Und damit beweist er, denke ich, wahre Seelengröße.«
»Graf«, sagte mein Vater, »Ihr lächelt. Steht Ihr nicht voll zu diesem Wort?«
»Dazu stehe ich durchaus. Ich lächele nur, weil mir soeben einfiel, daß Seelengröße bei einem Menschen sich auch mit weniger edlen Gefühlen paaren kann, zum Beispiel mit Zynismus oder mit einer nahezu komischen Naivität.«
»Das müßt ihr mir erläutern«, sagte mein Vater.
»Nun, am Tage, nachdem der König die Krönung der Königin akzeptiert hatte, zog er mich beiseite und sagte: ›Bassom pierre , du weißt doch, wie erpicht die Erzherzöge in Brüssel auf Etikette sind. Ich möchte, daß du meine Frau dazu bewegst, ihnen einen Brief zu schreiben, in welchem sie verlangt, daß die Prinzessin von Condé ihrer Krönung beiwohnt.‹«
»Gerechter Himmel! Welch seltenes Taktgefühl!« sagte mein Vater. »Ich würde darüber lachen, wenn es sich nicht um den König handelte. Und übernahmt Ihr diesen Auftrag?«
»Hätte ich ablehnen können? Aber, soviel laßt Euch versichern,Marquis, daß ich vor der Königin meine Zunge siebenmal im Munde umdrehte, bevor ich ihr diese bestürzende Forderung übermittelte. Mein Gott! Und hätte sie zehn Augen gehabt, sie hätte mich nicht genug mit Blitzen durchbohren können. ›Comte!‹ sagte sie, ›für wen haltet Ihr mich? Und für wen hält mich der König? Für eine
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Nachdem Bassompierre gegangen war und weil das Gehörte mich stark beschäftigte, fragte ich: »Weshalb soll Henri wahre Seelengröße bewiesen haben, als er der Krönung der Königin zustimmte, um die dynastischen Rechte seines Sohnes zu sichern. War das nicht selbstverständlich?«
»Es wäre selbstverständlich, steckte die Königin nicht voller Galle und Groll gegen ihn und ließe sie nicht, was noch schlimmer ist, das Haupt der spanischen Partei durch den Nuntius Ubaldini über alles unterrichten, was sie weiß. Und sie weiß viel, weil der König sich nicht genug in acht nimmt. Ihr müßt bedenken, mein Sohn, daß die starke Partei in Frankreich, die den Tod des Königs wünscht oder betreibt, das Land dennoch nicht in einen Bürgerkrieg stürzen will. Diese Bedrohung entfällt durch die Krönung der Königin, weil sie die Thronfolge sichert. Zugleich damit wird aber auch der Weg frei, und es vervielfachen sich die Gefahren, daß der König ermordet wird.«
»Weiß das der König?«
»Voll und ganz. Ich hörte, wie er in meinem Beisein zu Sully sagte: ›Vermaledeite Krönung! Mir bringt sie den Tod.‹«
Am dreizehnten Mai nahm ich mit meinem Vater und La Surie an der Krönungsfeier in Saint-Denis teil, die so prächtig war, wie es sich nur geziemte, und die ein freudiges Ereignis gewesen wäre, hätte sie im Geiste des Königs und seiner Getreuen nicht düstere Vorahnungen genährt.
Henri hatte die Zeremonie bis in jede Einzelheit vorbereitet. Und da ich dies wußte, machten mich vornehmlich zwei Dinge betroffen. Der König hielt sich der Weihe seiner Gemahlin zwar nicht fern, jedoch wahrte er Abstand. Er hätte seinen Thron im Chor aufstellen können. Statt dessen wohnte er der Zeremonie von weitem und von oben als Zuschauer in einer verglasten Loge bei.
Dem Brauch gemäß hatte der Kardinal de Joyeuse die königliche Krone auf das Haupt der Königin zu setzen. Doch erhielt er nach dem Willen des Königs hierbei zwei unerwartete Helfer: zu beiden Seiten Marias hielten der Dauphin Louis und Madame, Louis’ Schwester, die Krone, bevor sie die Stirn ihrer Mutter berührte. Die Damen fanden diese Neuerung reizend, doch meinten etliche, darunter auch mein Vater, hiermit sei bedeutet, daß
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