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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Maria von Medici nur dank der Kinder, die sie von Henri hatte, zur Königin gekrönt wurde.
    Was meinen Vater in dieser Ansicht bestärkte, waren zwei Vorkommnisse, das eine leichtgewichtig, das andere ernst, deren Augenzeuge er nach der Zeremonie wurde. Als diese beendigt war und bevor der Festzug sich zum Ausgang bewegte, begab sich der König von seiner verglasten Loge zu einem Fenster über der Kapelle und sprengte von dort einige Tropfen Wasser auf die Königin herab. Der kleine Spaß verwirrte die Beiwohnenden, weil man diese Art Taufe nicht als Verspottung der soeben erteilten Weihe zu deuten wagte. Doch als der König hinuntergestiegen war und seine Gemahlin in den höflichsten Formen empfing, sah er auch den Dauphin kommen. Seine Gesicht erhellte sich, und zu den Anwesenden gewandt, sagte er mit lauter Stimme und höchster Eindringlichkeit: »Meine Herren, dieser ist Euer König!«
    Seine Worte und der Ton, in dem sie gesprochen wurden, hatten auf die Höflinge eine ergreifende Wirkung. Ihnen war, als stellte sich der König schon jenseits des Lebens, um ihnen einzuprägen, daß ihr wahrer Herrscher nicht die Frau sei, die man soeben gekrönt hatte, sondern dieser Knabe, der noch nicht neun Jahre alt war.
    ***
    Wenigstens die erste Hälfte dieses Freitags, des vierzehnten Mai, war in meinem Leben ein Tag wie jeder andere. Monsieur Philipponeau, der einstige Jesuit mit den glühenden Augen, hieß mich ein Sonett von Malherbe ins Lateinische übertragen, wobei er mir hier und da ein wenig half. Hierauf befragte er mich, auch auf lateinisch, über die Eroberung Galliens. Dann gab mir der Ex-Luntenmeister Martial seine Mathematikstunde. Und als letzte erschien Mademoiselle de Saint-Hubert.
    Sie war jetzt einunddreißig und charmant, lebhaft und empfindsam wie je, und dennoch glich sie einer langsam welkenden Blume. Mit ihrer gewohnten Sorgfalt unterrichtete sie mich in der Sprache Dantes, ohne mir auch nur eine der italienischen Verbformen zu schenken, die sich an Heimtücke mit den unseren wahrlich messen können. Wenn ich aber rein zufällig einmal ihre Hand berührte, zog sie diese mit einer fast verletzenden Heftigkeit zurück, so als ertrüge sie, nachdem sie so lange vergeblich auf die Liebe gewartet hatte, nicht einmal mehr die leichteste Annäherung des anderen Geschlechts.
    Die Ungerechtigkeit ihres Schicksals betrübte mich um so mehr, als ich es in nichts mildern konnte, da ihr jede warmherzige Geste meinerseits verdächtig erschien: es war, als verursache ihr dies nur Bitterkeit und als fühle sie sich von allen und jedem zurückgestoßen, sogar durch Aufmerksamkeiten, die ich ihr erwies.
    Obwohl mein Waffenmeister, der kleine Teufelskerl Sabatini, mich durch seine Ausfälle von Kopf bis Fuß unter Schweiß setzte und diese forsche Übung mich erheiterte und meinem Körper wohltat, wirkte der Gedanke an Mademoiselle de Saint-Hubert wie ein Nachgeschmack von Kummer in mir, als ich mit meinem Vater und La Surie zu Tische ging.
    Ihre Unterhaltung vermochte ihn nicht zu zerstreuen: mein Vater brachte aus dem Louvre gewisse Einzelheiten über das letzte Gespräch des Königs mit dem Nuntius Ubaldini mit. Henri hatte sich nie darüber täuschen lassen, und schon gar nicht durch die Gewandtheit des Papstes Paul V., daß dieser, obwohl er in der Affäre Kleve als Schiedsrichter und Vermittler auftrat, in Wahrheit Partei für die Habsburger nahm. Die Neuigkeit aber war, daß der König dem Nuntius klipp und klar sagte: »Der Papst will von mir alles, von den Spaniern nichts.« – »Sire«, sagte Ubaldini, »der Frieden der Christenheit liegt in Euren Händen.« – »Wenn Ihr Frieden wollt, bewegt die Spanier, mir einige Zeichen guten Willens zu geben.« – »Sire, laßt Seiner Heiligkeit die Zeit, solche zu erhalten.« – »Ich habe lange genug gewartet! Am fünfzehnten Mai begebe ich mich zu meinem Heer.«
    »Und hinter diesen Worten des Königs«, sagte mein Vater, »steht der Tod von Hunderttausenden Menschen.«
    »Und sein eigener vielleicht«, sagte La Surie.
    »Will der König tatsächlich morgen in sein Heerlager aufbrechen?« fragte ich.
    »Nach dem Gespräch mit Ubaldini hat er seinen Zeitplan noch einmal geändert. Heute will er seine Dinge ordnen. Morgen geht er auf die Pirsch. Am Sonntag nimmt er am Einzug der Königin in Paris teil.«
    »Sie ist doch schon da!« sagte La Surie mit einem Blitzen in seinem braunen Auge, während das blaue kühl blieb. »Zieht sie hinaus, um

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