Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
ansprach.
»Seid Ihr es, der Seine Majestät zu sehen wünscht?«
»Ja, Herr Hauptmann.«
»Wie nennt Ihr Euch?«
»Jean-François Ravaillac.«
»Wie alt seid Ihr?«
»Einunddreißig.«
»Was ist Euer Stand?«
»Ich war Schullehrer und Kammerdiener. Dann habe ich für einen Pariser Richter Prozesse mitgeschrieben.«
»Und was tut Ihr derzeit?«
»Ich bin stellungslos.«
»Wovon lebt Ihr?«
»Von Almosen, welche gute Menschen mir spenden.«
»Schämt Ihr Euch nicht, in Eurem Alter und so, wie Ihr gebaut seid, nicht zu arbeiten?«
»Ich vergeude meine Zeit nicht.«
»Was macht Ihr?«
Ravaillac straffte sich und sagte mit der Inbrunst eines Propheten: »Ich ergründe die Geheimnisse der ewigen Vorsehung.«
»Ist das nicht sehr vermessen? Glaubt Ihr denn, daß Ihr sie ergründen könnt?«
»Ich lese gute Bücher, die mich aufklären.«
»Von wem?«
»Von Pfarrer Jean Boucher, von Pater Mariana, von Pater Emmanuel Sâ.«
Keine vertrauenerweckenden Autoren: zwei Jesuiten und ein Pfarrer, der wegen der Maßlosigkeit seiner Predigten aus Paris verbannt worden war. Trotzdem schwieg Monsieur de La Force hierzu.
»Wo wohnt Ihr in Paris?«
»Ich wohne in Angoulême.«
So gleichmütig Monsieur de La Force sich auch gab, hier verriet er einige Erregung. Angoulême, eine erzkatholische Stadt, unterstand dem Herzog von Épernon, und es geschah nichts dort, wovon er nicht Kenntnis hatte.
»Kennt Ihr den Herzog von Épernon?«
»Ja.«
Und er setzte hinzu: »Er ist freidenkender Katholik.«
Dieser Zusatz und die ehrerbietige Miene, mit der Ravaillac ihn gab, erhellten Monsieur de La Force vollends, mit was für einem erbitterten Papisten er es zu tun hatte.
»Was wollt Ihr dem König sagen?«
»Das kann ich nur ihm selbst eröffnen.«
Monsieur de La Force blickte stumm auf den Fremden, dann fuhr er in demselben höflichen Ton fort: »Bevor ich Euch zu Seiner Majestät bringe, muß ich Euch durchsuchen lassen.«
»Ich habe es erwartet«, sagte Ravaillac.
Auf ein Zeichen von Castelnau trat Dalbavie an den Rotschopf heran und tastete ihm mit beiden Händen nacheinander Brust, Rücken, Arme, Hüften und Schenkel ab.
»Er hat keine Waffen bei sich, Herr Hauptmann«, meldete er, »auch kein Messer.«
Über das zugewachsene Gesicht Ravaillacs huschte etwas, das als ein Lächeln hätte gelten können, wäre sein Blick nicht unverändert starr geblieben.
»Ich unterrichte Seine Majestät«, sagte Monsieur de La Force. »Ihr behaltet ihn inzwischen im Auge.«
Wie wir später erfuhren, sagte La Force dem König: »Der Mann ist ein wütender Fanatiker, Sire. Er kennt Épernon. Das ist Jesuiten- und Ligistenbrut! Ich halte ihn für hochgefährlich, auch angesichts seiner Kraft.«
»Durchsucht ihn noch einmal«, sagte der König, »wenn Ihr nichts bei ihm findet, jagt ihn weg! Und verbietet ihm, sich dem Louvre und meiner Person zu nähern, sonst wird er ausgepeitscht.«
»Sire, man sollte ihn sofort einkerkern!«
»Tut, was ich sage«, sagte der König.
Als Monsieur de La Force wieder ans Tor kam, wirkte er ziemlich niedergeschlagen.
»Durchsucht ihn«, sagte er fast schroff zu Dalbavie.
»Aber ich habe ihn doch durchsucht, Herr Hauptmann!« sagte Dalbavie etwas gereizt, weil er sich vor seinen Männern bloßgestellt fühlte.
»Durchsucht ihn noch einmal!« befahl Monsieur de La Force stirnrunzelnd.
Dalbavie gehorchte mit ziemlich ungehaltener Miene. Von neuem tastete er den Mann ab, doch nachlässiger und im voraus überzeugt, daß diese zweite Durchsuchung unnütz war.
»Er hat nichts bei sich«, sagte er.
»Gut, laßt ihn gehen«, sagte La Force mißgestimmt. »Und wenn er wieder um das Tor streicht, peitscht ihn aus.«
Wie sich herausstellen sollte, war diese Durchsuchung unzureichend. Hätten Dalbavies Hände auch unterhalb der Knie getastet, hätten sie an der linken Wade, den Griff unterm Strumpfband verborgen, Ravaillacs Messer entdeckt.
***
Am zwölften Mai hatten wir Bassompierre zum Diner. Es war der Tag vor der Krönung der Königin, die nach alter Traditionin der Abtei Saint-Denis gefeiert werden sollte, was La Surie zu der Bemerkung veranlaßte, damit sei Maria dann »könig licher als der König«, da Henri, dessen Krönung ja mitten im Bürgerkrieg stattfand, sich mit Chartres hatte begnügen müssen. Saint-Denis war damals in der Hand der Liga.
»Oh, für mich besteht kein Zweifel«, sagte Bassompierre, indem er sich mit dem Finger über den Schnurrbart fuhr, »daß Concini ihr
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