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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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daß ich mich im Waffenmetier nur langweilen würde, obwohl ja kein Metier dumm sein muß, wenn man es gewissenhaft betreibt. Und man brauchte Monsieur de Castelnau nur anzusehen, um an seiner strengen hugenottischen Miene zu erkennen, daß er seine Wache nicht auf die leichte Schulter nahm wie die anderen aufgeblasenen Laffen, die sich am Tor des Louvre als große Eisenfresser gebärdeten.
    Monsieur de Castelnau war offensichtlich keiner von denen. Sein schönes, ernstes Gesicht war gleichwohl freundlich und offen. Bisher kannte ich ja gewissermaßen keinen Burschen meines Alters, weil ich immer nur mit den Freunden meines Vaters umging, die bis auf Bassompierre alle ungefähr so alt waren wie er. Und um es frei zu bekennen, sowie ich dem Gardeleutnant in die Augen blickte, vergaß ich auf der Stelle, daß ich vorher an ihn nur als willkommenes Bindeglied zwischen Mespech und Castelnau gedacht hatte: ich faßte zu ihm eine schöne Freundschaft, und er zu mir.
    Unsere Verwandtschaft war der erste Gegenstand unserer Unterhaltung, und indem wir die Caumonts auf seiten meines Großvaters und die Caumonts auf seiten seines Vaters aufzählten, erfuhr ich, daß wir Cousins dritten Grades waren, aber auch, daß Mademoiselle de Fonlebon seine Cousine zweiten Grades war, was mir sehr viel weniger behagte, weil ich mirnicht denken konnte, daß ein so schöner und wohlgestalter Edelmann wie Castelnau der Schönheit dieser Cousine widerstehen könnte wie auch sie der seinen. Doch eine Minute später, und ohne daß ich ihm eine Frage gestellt hatte, nahm er mir diese Riesenlast vom Herzen. Er liebe das Périgord so sehr, sagte er, und verbringe dort jeden Sommer, weil er heiß vernarrt sei in Mademoiselle de Puymartin. Alles schien mir jetzt wie durch ein Wunder an den rechten Platz zu rücken, denn mein Großvater war mit den Puymartins eng befreundet, deren Gut in der Nachbarschaft von Mespech lag. Mir klopfte das Herz, daß mein neuer Freund mir vom Blut und vom Orte her so nahe stand, ohne aber mein Rivale zu sein.
    »Ihr seid jeden Sommer im Périgord?« rief ich aus. »Aber ich auch!«
    Er war hocherfreut. Und was glauben Sie, wie eifrig wir beide uns nun in den kommenden Juli versetzten, unter der hohen Sonne Seite an Seite durch das blühende Frankreich streiften, in den Gasthäusern Mahl hielten und darüber ganz vergaßen, daß wir vorm Tor des Louvre auf glühendheißen und staubigem Pflaster standen.
    »Oh, gewiß!« sagte er (und dieses ›gewiß‹ verriet den Hugenotten), »um wieviel lieber wäre ich heute in Castelnau, als hier die stickige Luft zu atmen!«
    »Gehört Euch Castelnau?«
    »Nein. Mein Vater hat den Titel, den Namen und die Einkünfte auf mich übertragen. Aber über das Haus habe ich keine Verfügung.«
    Das Wort »Haus« auf diese schöne, mächtige Burg anzuwenden, welche über der Dordogne aufragt, berührte mich sehr. Unsere großen Familien in den Provinzen hegen eine Scham, sich ihrer wunderbaren Schlösser zu rühmen, aber sie tun es vielmehr, weil sie die Liebe dazu im Herzen tragen, und nicht aus Eitelkeit.
    Während wir so plauderten, kam über den weiten Vorplatz des Louvre ein sehr großer Mann, unter dessen grünem Hut brennendrote Haare hervorquollen, die sich mit einem gleichfarbigen, struppigen Bart mischten. Auf halbem Weg hielt er inne, stemmte die Hände in die Hüften und musterte uns von weitem, Castelnau und mich. Seine Augen waren mit einem Ausdruck auf uns gerichtet, der etwas Beunruhigendes hatte.Außer durch seinen riesigen Wuchs und seine breiten Schultern fiel der Mensch auch dadurch auf, daß er im Kontrast zu seinem sehr roten Haar ganz in Grün gekleidet war und daß sein Wams von flämischem Schnitt war.
    »Dalbavie«, sagte Castelnau zu einem Sergeanten, »weißt du, was der Kerl von uns will?«
    »Ach, der!« sagte Dalbavie. »Der kommt jetzt zum drittenmal. Zweimal hab ich ihn schon abgewiesen. Er gefällt mir nicht mit seinem Fell und seinen Augen. Ich glaub, der ist närrisch
coma la luna de mars
1 .«
    »Den grünen Hut dazu hat er schon auf«, sagte ein kleiner Gardist mit lustigen, blitzenden Augen. »Schade! So ochsenstark wie der ist, gäb er einen guten Soldaten ab.«
    »Hat er euch angesprochen?« fragte Castelnau.
    »Ja«, sagte Dalbavie. »Der redet wie geschmiert. Mir scheint, wenn du den in eine Soutane steckst, hält der dir eine Predigt wie jeder andere.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Mir, nichts«, sagte Dalbavie, »er hat sich an Cadejac

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