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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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einzuziehen?«
    »Ihr scherzt«, sagte mein Vater. »Nach einer Krönung verlangt es der Brauch, im Triumph in seine Stadt einzuziehen. Ich fahre fort. Am Montag verheiratet der König seine Tochter Vendôme. Am Dienstag feiert er diese Hochzeit. Und am Mittwoch dann, dem neunzehnten Mai, steigt er zu Pferde und begibt sich ins Heerlager.«
    Als mein Vater endete, hielt Mariette ihren triumphalen Einzug mit einer riesengroßen Kirschtorte. Die Kirschen stammten von unserem Gut Le Chêne Rogneux, wo man sie unmittelbar vor der Reife gepflückt hatte, sonst hätten die Vögel keine einzige für uns übriggelassen.
    Nicht nur mit dem Teig, seiner erfinderischen Verarbeitung und kunstreichen Verzierung hatte Caboche ein Meisterstück vollbracht, sondern auch durch die Größe dieses Monumentes, mit dem er seiner Herrschaft Ehre bezeugte und zugleich all unserem Gesinde Freude bereitete, das sich nachher um unseren großen Küchentisch versammeln und der Torte den Garaus machen würde.
    Nach dem Essen zog ich mich in meine Kammer zurück. Mit meiner neuen Soubrette ließen sich die Dinge längst so an, daß mir in meiner Siesta sogar Zeit zum Schlafen blieb. Nicht daß Louison weniger bei der Sache war als Toinon, aber sie hatte die langsamen Annäherungen und feinfühligen Vorspiele meiner Bäckerin durch einen eher bäuerlichen Stil ersetzt. All meine Mühen, ihr Verfeinerungen beizubringen, waren vergebens: Louison sah überall Sünde. Und da ich meine Wünsche eher ändern konnte als ihre Theologie, begnügte ich mich schließlich mit ihrer gutmütigen Schlichtheit. Nicht ohne Scham gestehe ich, daß ich im Traum andere Gesichter sah als das ihre, so hübsch es auch war.
    An jenem Tage riß mich Franz aus meinem Schlummer mitder Meldung, daß Ihre Hoheit die Herzogin von Guise mir befehle, mich sogleich aufs beste anzukleiden, weil sie mich in ihrer Karosse mitzunehmen wünsche.
    »Ist mein Vater damit einverstanden?« fragte ich Franz.
    »Monsieur, er ist nicht zu Hause.«
    »Und der Chevalier?«
    »Der Chevalier auch nicht.«
    Also spritzte ich mir ein bißchen Wasser ins Gesicht und legte mit Louisons Hilfe im Handumdrehn meinen blauen Anzug an, um in den Augen meiner lieben Patin zu bestehen, die denn auch bei meinem Anblick vor Freude strahlte, doch ohne daß ihre Worte mit den liebevollen Blicken Schritt hielten.
    »Gott im Himmel!« sagte sie, »habt Ihr auf Euch warten lassen! Nun aber los! Ich habe anderes zu tun, als tagsüber im Bette zu faulenzen wie Ihr!« Und sie faßte meinen Arm und zog mich mit hurtigen Schrittchen zu ihrer Karosse, deren Gespann nicht weniger vor Ungeduld schnaubte wie ihre Herrin. »Steigt ein, steigt ein, zum Teufel!«
    »Aber wohin fahren wir, Madame?«
    »Wäret Ihr allein, würde ich sagen zur Hölle: denn da ist Euer Platz, aber Gott sei Dank hege ich für mich andere Hoffnungen!«
    »Madame, Madame!« rief Franz, als der Lakai schon den Tritt hochklappte und die Wagentür schloß, »ich bitte Eure Hoheit untertänigst, mir zu sagen, wohin Ihr den Chevalier entführt, damit ich meinem Herrn Auskunft geben kann, wenn er heimkommt.«
    »In den Louvre, Franz! Nur in den Louvre! Dachtet Ihr, ins Bordell?«
    Und auf diese Derbheit hin, die im Nu von Tür zu Tür unsere ganze Gasse entlang wandern würde, lachte sie aus vollem Halse.
    »In den Louvre, Madame?« fragte ich, indem ich mich in den blaßblauen Polstern niederließ. »Und wozu in den Louvre, wenn ich fragen darf?«
    »Das sag ich Euch, wenn’s mir gefällt!« sagte sie ruppig. »Und keine Minute vorher! Meiner Treu, Söhnchen, das stinkt hier! Euch umschwebt eine ganz unerträgliche odor di femina! Herr im Himmel, schämt Ihr Euch nicht, jung wie Ihr seid, Euch jeden Tag, den Gott werden läßt, in Ausschweifung zu baden?«
    »Für dieses Bad, Madame, ist kein Alter vorgeschrieben.«
    »Frechdachs! Sagt Ihr das meinetwegen?«
    »Nein, Madame, es war eine allgemeine Bemerkung.«
    »Ach, Monster, Ihr!« sagte sie lachend, »Ihr meint doch wohl, ich sei über das Alter hinaus?«
    »Ihr wißt, daß dem nicht so ist, Madame. Übrigens wird es Euch mein Vater alle Tage sagen.«
    »Nur daß ich das Scheusal schon lange nicht mehr alle Tage sehe!« sagte sie mit einem Seufzer.
    Bei diesen Worten glitt ein Anflug von Traurigkeit über ihr Gesicht, doch raffte sie sich schnell wieder und fand zu ihrem Temperament zurück. Gleichwohl ließ mich dieser kleine Augenblick erraten, wieviel Mut sie manchesmal aufbrachte, um ihre Frische

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