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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ein Maul zu ziehen?«
    »Für jeden, der mir ein Maul ziehen wollte, habe ich meinen Degen.«
    »Aber benutzen könnt Ihr ihn nicht. Der König hat vor kurzem ein Edikt gegen Duelle erlassen!«
    »Gegen welches Eure Söhne, Madame, verstoßen.«
    »Was kann ich denn ausrichten bei diesen unbesonnenen Gecken! Aber Ihr, Monsieur, enttäuscht mich. Ich hatte Euch für vernünftiger gehalten.«
    Weil sie wirklich betrübt aussah, nahm ich ihre Hände und küßte sie.
    »Ich werde so vernünftig sein, wie ich irgend kann, Madame, um Euch Freude zu machen, aber einmal sagt Ihr, ich soll Mademoiselle d’Aumale heiraten, und im nächsten Moment soll es Mademoiselle de Fonlebon sein. Da kommt man ein bißchen durcheinander!«
    »Und woher wollt Ihr wissen, ob Ihr Euch nicht doch in Mademoiselle d’Aumale verliebt? Ihr seid erst achtzehn, und Euch haben schon viele Mädchen und Frauen gefallen. Wer ein so offenes Herz hat, Söhnchen, kann schwerlich auf seine Treue pochen. Aber«, fuhr sie nach einem Schweigen fort, »laßt uns nicht zanken, bisher ist noch alles auf unsicherem Land gebaut. Küßt mich hier auf die Wange, mein Kind. Und nun Frieden, und kein Wort weiter! Für alle Fälle haltet Euch jetzt gut. Keine der Frauen bei der Königin wird Euch auch nur einen Blick schenken, aber alle werden Euch belauern.«
    »Aber, Madame«, sagte ich, indem ich hinaussah, »wir sind doch nicht beim Louvre, wir sind fast beim Arsenal ... Wollen wir Sully besuchen?« setzte ich scherzend hinzu.
    »Das könnten wir nicht«, sagte sie im selben Ton. »Eine seiner Kriegsverwundungen – er hat einen ganzen Haufen, wie er sagt – ist aufgebrochen. Er leidet schwer. Im Louvre heißt es sogar, er habe ein Bad genommen: daran seht Ihr, daß er nicht gesund ist! Nein, nein, ich habe den Kutscher angewiesen, uns durch Paris zu fahren, weil ich von Angesicht zu Angesicht mit Euch reden wollte, ohne daß wir von Euren Leuten belauscht werden, besonders von Eurer vermaledeiten Mariette, die ihre Ohren ja überall hat. Wenn man nicht achtgäbe, man würde drauftreten!«
    Daß meine liebe Patin nach dem, was sie Franz vorhin bei unserer Abfahrt gesagt hatte, Lektionen in Verschwiegenheit hielt, war mir neu! Aber obwohl sie, abgesehen von ihren Hirngespinsten, in ihrem sprudelnden Unbedacht die Ehrbarkeit verletzen konnte, ohne mit der Wimper zu zucken, war ich heilfroh, sie wieder bei ihrem gewohnten Humor zu wissen, während ich mich dareinschickte, nun im Louvre vor Langerweile edel zugrunde zu gehen wie befohlen.
    Die Beratung der Damen über folgenschwere kleine Fragen der Etikette fand in dem großen Gemach der Königin statt, das ich zum erstenmal im November 1609, drei Tage nach der Geburt Henriette-Maries betreten hatte.
    »Eure Majestät«, sagte Madame de Guise, »dies ist mein Patensohn, der Chevalier de Siorac, den Euch der König auf meinem Ball vorstellte.«
    Nach den üblichen Kniefällen war ich bereits dabei, den Saum ihres Kleides zu küssen, und wartete noch immer auf ihre ersten Worte – würden sie freundlich sein oder unfreundlich, wer konnte das bei ihr wissen? Gleichwohl fand ich sie in ihrem malvenfarbenen Hausgewand, mit den ungekräuselten blonden Haaren, die ihr lang über die halb entblößten Schultern fielen, weit ansehnlicher als in Baskine und Schnürleib gepreßt und mit Schmuck überladen, daß sie kaum gehen konnte.
    »Ah!« sagte sie,
» il figlioccio famoso!
1 Möge er sich setzen! Caterina, einen Schemel, dorthin, an die Wand!«
    Während ich aufstand und mich unter der vorgeschriebenen Folge von Reverenzen entfernte, warf ich einen Blick nach meiner Patin. Sie hob die Brauen, zweifellos um mir zu bedeuten, daß mein Empfang nicht so übel war. Jedenfalls war ich nun schon mehr als jener
cugino della mano sinistra
1 , mit dem sie mich auf dem Ball der Herzogin von Guise beehrt hatte. Zwar klang das
famoso
noch ein wenig giftig, denn inwiefern wäre ich »berühmt« gewesen, wenn nicht durch meine uneheliche Geburt? Jedoch gewährte sie immerhin, daß ich mich in ihrer Gegenwart setzte, eine Gunst, die, wie mein Vater sagte, »proto kollarisch ihren Wert und hinterseits ihre Bequemlichkeit« hatte.
    Weshalb diese Beratung im Schlafgemach der Königin und nicht in ihrem Kabinett statthatte, leuchtete mir auf den ersten Blick ein, denn auf ihrem Bett lag in seiner ganzen Pracht der rote Mantel ausgebreitet, den sie zu ihrem Einzug in Paris tragen sollte. Er war aus Samt, übersät mit goldenen Lilien, hatte

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