Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
ein Futter aus Hermelin und eine Schleppe von sieben Ellen 2 , welche sich auf der seidenen Bettdecke wellte und ringelte wie eine riesige Schlange.
Außer der Königin und meiner lieben Patin befanden sich die verwitwete Herzogin von Montpensier, die Prinzessin von Conti, die Marschallin de La Châtre und die Marquise de Guercheville, welche ich alle mit tadellosem Respekt gemäß ihrer Rangfolge begrüßte, bevor ich mich auf den Schemel zurückzog, unweit der königlichen Ehrenjungfern, die stumm an der Wand entlang standen, vermutlich als Dekoration. Und stumm wie sie richtete ich meine Augen mit der äußersten Ergebenheit und frömmsten Demut auf Ihre Majestät, die ich ob ihrer Statur, ihrer kräftigen Stimme und ihrer Massigkeit jedoch schwer mit der Jungfrau Maria in eins bringen konnte.
Bald aber verschwamm mir ihr Bild, und da meine Zunge zum Schweigen verurteilt war und auch die heiß erörterten Fragen der Etikette mein Gehör nicht verlockten, bemerkte ich, daß ich von den Damen, die mich ja alle schon öfters gesehen hatten, in der Tat mit einem neuen Interesse gemustert und belauert wurde, das ich nur ihrem Plan, mich mit Mademoiselle de Fonlebon zu verheiraten, zuschreiben konnte. So unglücklich sie selbst vermählt waren, besonders die Prinzessin vonConti, sie konnten es nicht lassen, dieses Unglück auch anderen zuzuschanzen.
Schöne Leserin, darf ich hier, ohne mir Ihre Feindseligkeit auf den Hals zu ziehen, bekennen, daß diese Heiratsvermittlerinnen mich hinsichtlich Mademoiselle de Fonlebon ein wenig abkühlten? Gewiß hatte ich mich aus jähem Entzücken Hals über Kopf in sie verliebt, doch sah ich mich plötzlich in den Netzen einer Ehe zappeln, an die ich weder gedacht, noch die ich gewünscht oder für die ich mich selbst entschieden hatte. Mir war, als würde mir die Welt der unendlichen weiblichen Vielfalt verschlossen, wenn ich eine einzige heiratete, obwohl dieses ja erst keimende Gefühl für Mademoiselle de Fonlebon meine unerfüllte Liebe zu Frau von Lichtenberg in keiner Weise aufgehoben noch meine Trauer um den Verlust Toinons vermindert hatte.
Und wie hätte ich mir überhaupt wünschen können, Mademoiselle de Fonlebon zu heiraten, jetzt, da ich wußte, daß ich es ohnehin nicht könnte, so lange der König am Leben war; und Leben wünschte ich meinem König hundert, so sehr liebte ich ihn trotz seiner Fehler und Schwächen und so notwendig dünkte er mich für das Glück seines Volkes.
Als hätte die Glut meiner Wünsche den Gegenstand so großer Bewunderung herbeigerufen, tauchte in dem Moment der König auf, höchst elegant in einem schwarzen Seidenwams und mit einem kurzen Mantel um die Schultern. Alle Reifröcke rauschten und schwirrten und erloschen auf dem Orientteppich, und nachdem Henri galant die Lippen der Königin geküßt und ihre bloße Schulter getätschelt hatte, küßte er hier Wangen, dort Hände und zeigte sich von der heitersten und charmantesten Seite. Zwischen ihm und meiner Patin flogen Scherze hin und her, daß die Marquise de Rambouillet schamrot geworden und die Königin in Entrüstung ausgebrochen wäre, hätte sie auch nur ein Viertel davon verstanden. Um sie für ihr Nichtverstehen zu entschädigen, machte Henri ihr die schönsten Komplimente über die Herrlichkeit ihres Lilienmantels.
»So ein Mäntelchen«, sagte er, »trüge ich im Felde auch gern über meinem Harnisch!«
»Aber dann ohne Schwanz!« sagte Madame de Guise.
Und Henri lachte. »Was sagt Ihr da, liebe Cousine?«
Dann setzte er, verändert in Ton und Miene, hinzu: »Viel leicht bräuchte ich es auch nicht. Könige werden in ihrem Krönungsmantel begraben.«
Nachher deuteten die Vertrauten Henris dieses wie manch anderes Wort, das der König an diesem vierzehnten Mai gesprochen hatte, als Äußerungen seines Vorgefühls, daß ihm sein Tod nahe war. Ich erörterte diese Frage oft mit meinem Vater, der es für baren Unsinn hielt, die Geschichte rückwärts zu erzählen. »Wäre Henri«, sagte er, »an diesem vierzehnten Mai nicht ermordet worden, wer hätte von einer Überlegung, die ganz in seinem Wesen lag, solches Aufhebens gemacht: von dem Lilienmantel kamen seine Gedanken auf seine Rüstung, von seiner Rüstung auf den Krieg und vom Kriege auf sein Grab. Jeder, der in die Schlacht geht, denkt an seinen Tod.«
Zu Bassompierre, der ihm an diesem Morgen ins Gedächtnis rief, welche glücklichen Zeiten er seit der Rückeroberung von Amiens im Jahr 1597 erlebt habe, sagte
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