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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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oder er hielt den Moment zu handeln für gekommen, jedenfalls unterbrach er die Leier mit starker Stimme und sagte: »Madame, in Frankreich sterben die Könige nicht!« Und auf den Dauphin weisend, fuhr er fort: »Hier ist der lebende König!«
    Da machte Louis eine Bewegung, welche die Anwesenden hätte erschüttern müssen, hätten sie den Kopf nicht mit ihren berechnenden Plänen voll gehabt. Auf das Wort: »Hier ist der lebende König!« hin drehte er sich um, als erwartete er, daß sein Vater heil und gesund hinter ihm stünde. Und erst, als Épernon, Sillery, Villeroi und Concini nacheinander vor ihm niederknieten, ihn »Sire« nannten und »sich ihm ergaben«, begriff er, daß dem nicht so war. Doch nahm er die Tatsachen noch immer nicht ganz an, denn als er am Tag darauf zum Parlament fuhr, um einen Gesetzeserlaß zu verlesen, und das Volk ihm zuzurufen begann: »Es lebe der König!« drehte er sich um und fragte: »Wo ist der König?« Concini, der auf Grund seines fühllosen Wesens nicht begreifen konnte, daß Louis einfach nicht hinnehmen wollte, daß sein Vater tot war, schloß aus dieser Begebenheit, Louis sei »schwachsinnig«. Ein Irrtum, der ihm später zum Verhängnis werden sollte.
    Villeroi und Sillery, die mein Vater die »spanischen Minister« nannte und die Bassompierre schmeichelhafter als »Mi nister des Friedens« bezeichnete, waren siebzigjährige Herren, unterm Harnisch der politischen Affären weiß geworden und einer wie der andere reich an Erfahrung und Gewandtheit. Aus diesem Grunde hatte Henri sie auf ihren Posten belassen, aber in halber Ungnade und indem er sie dadurch zügelte, daß die Entlassung immer über ihrem Haupte schwebte. Mich dünkte, daß ihnen nach dem Tod des Königs neues Blut durch die Adern strömte, denn unter der Form weisen Rates, den sie der Königin erteilten, gingen sie sogleich an die Verteilung der Aufgaben und der Rollen.
    Bassompierre sollte an der Spitze seiner leichten Reiterei durch die Straßen eilen, um Aufruhr und Plünderung zu verhindern; und Épernon, bekannt für seine Tatkraft und Entschlossenheit, sollte das Parlament energisch dazu bewegen, daß es die Königin zur Regentin erklärte.
    Damit wurde, wie mein Vater mir dann sagte, dem Parlament ein Recht übertragen, das es nie zuvor besessen hatte und das der Versammlung der weltlichen und geistlichen Pairs und den Prinzen von Geblüt zustand. Aber Conti, der einzige in Paris anwesende Bourbone, war unfähig, Soissons schmollte auf seinem fernen Schloß, und Condé befand sich in Mailand. Durfte man deshalb den Thron unbestellt lassen, argumentierten unsere beiden Greise.
    Das Parlament ließ sich von Épernon freudigst Gewalt antun. Entzückt über das neue Recht, erklärte es die Königin und Königinmutter ohne weiteres zur »allmächtigen und alleinherrschenden« Regentin von Frankreich. Und ohne daß es ausgesprochen und debattiert wurde, war damit der Regentschaftsrat aufgehoben, den der König in weiser Voraussicht berufen hatte, damit die Königin nur eine Stimme habe. Somit konnte sie unter dem Namen Regentin nunmehr ebenso absolut herrschen wie ihr Gemahl.
    Unsere beiden alten Herren, die ja wußten, wie es um Marias Fähigkeiten bestellt war, dachten, daß in Wirklichkeit sie nun die Macht hätten. Épernon meinte, daß die Königin einen Schwertarm brauche und daß dies der seine wäre. Concini aber, der die Szene aus seiner Fensternische ohne das mindeste Lächeln betrachtete, wußte sehr wohl, daß Marias Starrsinn ein Felsblock war, den niemand außer ihm und der Galigai würde bewegen können.
    Wie die Königin bemerkte, daß ihr Sohn immer noch regungslos und gezwungen an seinem Platze stand, hieß sie mich, ihn in seine Gemächer zu geleiten, wo er wenig und nur widerwillig aß. Die Tränen, die ihm dann und wann aufstiegen, drängte er zurück. Um neun Uhr brachte man ihn zu Bett, und wenig darauf verlangte er, bei Monsieur de Souvré zu schlafen, »weil ihm Träume kämen«.
    Ich selbst übernachtete in der Kammer des Doktors Héroard. Als ich tags darauf die Gemächer des Dauphins betrat, um ihn zu besuchen, sah ich mit Verblüffung dort ein Dutzend schwarzer Soutanen. Es waren Jesuiten, die unter der Führung des Paters Cotton das ihnen versprochene Herz des verstorbenen Königs einforderten. Diese Forderung wurde dem neuen Herrscher mit viel Weihrauch, Klagen, schmerzlicher Trauer und Treuegelöbnissen vorgetragen. Während Pater Cotton sprach, musterte ich die Gesichter

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