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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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und schwarz wie Basalt von Saint-Flour und führte ein Mundwerk, daß kein Pariser Großmaul ihr überkam. Aus dem Grund hatte mein Vater sie ausersehen, den Senf einzukaufen, wie man bei uns für den ganzen Einkauf sagte, der ihr aber, der Senf, meine ich, rasch in die Nase steigen konnte, wenn der Schlächter, der Gemüsehändler oder das Fischweib sie übers Ohr hauen wollten.
    Damals war es bei den Pariser Adelsfamilien üblich, sich von einem Lieferanten mit allem versorgen zu lassen, was die Küche täglich brauchte. Mein Vater jedoch, ein »bekehrter« Hugenotte, der sich nur notgedrungen zum Meßgang bequemt hatte, weil er Heinrich III. derweise besser dienen konnte, war als guter Kalvinist viel zu sparsam mit seinen Silberlingen, als daß er einem solchen Manne getraut hätte, der ihn, wie er meinte, bei jeder Gelegenheit betrügen konnte. Die Gefahr lief er bei Mariette nicht, sie war, wie er sagte, keine Frau, die »Maultiere beschlägt«.
    »Maultiere beschlägt?« fragte ich. »Was bedeutet das, Herr Vater?«
    »Eine Pariser Redensart, mein Sohn«, sagte er lachend. »Die Schmiede, die in Paris Maultiere beschlagen, gelten als die größten Gauner der Schöpfung, sie sollen selbst die Seineschiffer noch übertreffen, die durch die Bank dafür verschrien sind.«
    »Und werden sie damit reich?«
    »Das will ich meinen! Manch einer sogar so reich, daß er sich in der Provinz ein Landgut kauft, dessen Namen annimmt und den Adligen spielt.«
    »So blüht das Geschäft?«
    »Großartig! Das Maultier ist das Pferd des armen Mannes. In Paris gibt es viel mehr Maultiere als Pferde, Zigtausende, und obendrein saugt der ekle, kotige Schlamm, der überall das Straßenpflaster überzieht, den Tieren das Eisen aus den Hufen, so daß sie es verlieren, noch bevor es abgenutzt ist.«
    Weil mein Vater wollte, daß ich alles lerne, nicht nur die schönen Wissenschaften, in denen ich von Kind auf unterrichtet wurde, sondern alle Dinge des Lebens, auch die bescheidensten, schickte er mich Grünschnabel mit Mariette zum Neuen Markt, Galoschen an den Füßen wegen des dicken Schlamms in den Gassen und ein essiggetränktes Schnupftuch in einer Hand, damit ich es mir vors Gesicht halten konnte, wenn all der Gestank auf den Kreuzungen mir den Atem benahm. Mit der anderen Hand mußte ich mich an der Riesenpranke von Lachaise festhalten und durfte sie unter keinen Umständen loslassen. Unsere beiden Soldaten, die Mariette auch sonst zum Markt begleiteten, trabten in Stiefeln und Waffen hinter uns her, Mariette ging uns allen mit entschlossenem Schritt voraus. Da ihre Körbe ihr die Hüften auf beiden Seiten verbreiterten, furchte sie die Menge wie eine Galionsfigur mit ihren straffen auvergnatischen Brüsten und schrie: »Obacht! Obacht, Leute! Laßt einen durch!«
    Wenige Minuten, bevor ich mit dieser Eskorte aufbrach, erhielt mein Vater, wie ich mich erinnere, eine Nachricht aus dem Louvre und teilte allen Umstehenden sogleich frohen Mutes mit, daß die Florentiner Fürstin Maria von Medici, eine Großnichte Karls V., soeben in Marseille gelandet war, um sich mit unserem guten König Henri zu vermählen.
    »Mögen Gott und die heilige Jungfrau sie segnen!« sagte Mariette.
    »Möge Gott ihn segnen!« sagte mein Vater, ohne Maria zu erwähnen.
    Unsere beiden Soldaten, Pissebœuf und Poussevent, waren keine Auvergnaten, sondern Gascogner und trödelten auf dem Weg zum Markt fürchterlich hinter uns her, indem sie nachrechts und links aber schärfste Blicke warfen. Natürlich begleiteten sie Mariette, um ihren Streitereien mit den Händlern Rückhalt zu geben, vor allem aber, um sie zu beschützen, sie samt ihren Münzen, ihrem Fleisch und ihren Kleidern, denn die Langfinger und Mantelabschneider, die wie die Wölfe um die Stände strichen, stahlen einem hast-du-nicht-gesehen den Mantel von den Schultern oder eine Schinkenseite aus dem Korb.
    Ehe Mariette kaufte, befühlte, beschnupperte und kostete sie die Waren, roch jeden Betrug und schrie ihn mit schmetternder Stimme aus.
    »Was?« fragte sie den Bäcker, »das nennst du Weißbrot aus Gonesse? Willst du mich hochnehmen, Schwindler? Das kommt geradewegs aus Chaillot, dein Brot, wo die Halunken von Müllern Gerste unter den Weizen mischen und das Mehl nachher mit Kreide weißen, damit es die Kunden nicht merken. Sowas will ich nicht!«
    Sie wollte auch keine Butter aus Vanves, sondern gute, schmackhafte Butter aus der Bretagne. Und das Gemüse mußte in der Ebene Saint-Denis

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