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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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eigen gemacht hatte. Mein Vater, Doktor der Medizin, hatte Heinrich III. zunächst in dieser Eigenschaft gedient, bevor er in der königlichen Geheimdiplomatie tätig wurde. Seine Reisen, seine langen Aufenthalte in fernen Ländern, seine Abenteuer, die bestandenen Gefahren hatten zur Ausformung seines Geistes beigetragen, und wenn es auch wahr ist, daß er hie und da so manche Blume pflückte, hielt ihn die Liebe doch nie davon ab, seine Bildung zu vervollkommnen. Im Gegenteil: von den Lippen seiner Damen, Lady Markby, Dona Clara und der
Pasticciera,
der schönen Zuckerbäckerin, lernte er die Sprachen der benachbarten Reiche.
    Wie oft hörte ich meinen Vater gegen den stumpfsinnigen Brauch wettern, daß Adlige zu nichts anderem nütze sein sollten als zur Jagd und zum Kriege, weshalb sie ihr Leben lang in einer so krassen Unwissenheit verharrten, daß viele weder lesen noch schreiben und kaum ihre Unterschrift leisten konnten.Dadurch, sagte mein Vater, schlossen sie sich selbst von den hohen Staatsämtern aus, die deshalb natürlich den gebildeten Bürgern zufielen, ebenso wie die wachsenden Einkünfte aus Gewerbe, Handel und Finanzwirtschaft. »Gewiß«, setzte er hinzu (und dieses »gewiß« verriet den Hugenotten), »gewiß gibt es am Hof einige hochgebildete Adlige: Bassompierre, Bellegarde, Sully, um nur meine Freunde zu nennen. Aber wollte man deren genaue Anzahl ermitteln, so wette ich, man bekäme kaum mehr als dreißig zusammen.«
    Der große Freund und Vertraute meines Vaters, Chevalier de la Surie, stand meinen Studien vor. Vom Diener meines Vaters war er sein Sekretär geworden, hatte sein Leben und seine Gefahren geteilt, hatte an seiner Seite in Ivry gekämpft und wurde vom König geadelt. Mit neunundvierzig Jahren war er noch so wißbegierig, daß er sich mit Freuden bereitfand, meine Hofmeister anzuleiten und meinen Stunden beizuwohnen, vermutlich in der stillen Hoffnung, daraus selber Nutzen zu ziehen.
    Zu meiner großen Verwunderung, als ich noch Kind war, hatte La Surie verschiedene Augen, eins blau, eins braun, das eine eher kalt, das andere warm, worin die Mischung seines Charakters aus Besonnenheit und Leidenschaftlichkeit treffend zum Ausdruck kam. Von Gestalt war er schlank, fast zierlich sogar, aber geschmeidig und stählern wie eine gute Klinge. Mein Vater hörte auf seinen Rat und ertrug sogar seine Vorwürfe, dermaßen klug war er.
    La Surie wählte meine Hofmeister aus und wählte gut. Monsieur Philipponeau lehrte mich Latein, Französisch und Geschichte. Er war von Hause aus Jesuit, hatte aber die Kutte an den Nagel hängen können und eine reiche Witwe geheiratet. Die Witwe fand die Beichtsitzungen mit ihm so anregend, daß sie sich in ihn verliebte. Und er verliebte sich in sie. Die beiden warfen ihren Hausstand zusammen und verschrieben einander vor dem Notar all ihre irdischen Güter. Leicht gesagt, denn seinerseits besaß Monsieur Philipponeau nichts als seine Kutte und die auch nur kurze Zeit, denn die Gesellschaft Jesu wütete über seinen Verrat und entzog sie ihm, und er wäre für den Rest seiner Tage in einem kirchlichen Gefängnis verschwunden, hätte der Bischof von Paris ihm nicht seine Protektion gewährt.
    Nicht daß der Bischof den Mann so liebte, vielmehr haßte er die Jesuiten, die sich seiner Amtshoheit verweigerten und sichallein ihrem Ordensgeneral pflichtig erklärten. Also entzückte es ihn, den Bedrohten seiner Gelübde zu entbinden und zu verheiraten. Seitdem war unser Philipponeau der glücklichste Mensch und sollte noch glücklicher werden, als der Gerichtshof die Jesuiten verdächtigte, hinter Châtels Mordanschlag auf den König zu stecken, und sie aus dem Reich verbannte.
    Philipponeau war von mittlerer Statur, sehr mager und hatte nichts weiter Bemerkenswertes als seine Augen; sie waren riesengroß, pechschwarz, mit dichten Brauen und Wimpern besetzt und glühten nicht nur in geistigem Feuer, was an der Art, wie er unsere Kammerfrauen beäugte, ersichtlich war. Gleichwohl war er hochgelehrt und bewies in seinem Unterricht, wie ehemals im Beichtstuhl, eine so eindringliche Sanftmut, daß man nicht anders konnte, als sich die größte Mühe zu geben, um diese zu verdienen.
    Monsieur Martial, einst Luntenmeister im Heer des Königs, das er verlassen mußte, weil ihn bei der Belagerung von Amiens eine Kugel gegen seine Kanone geschmettert hatte, lehrte mich die Mathematik. Mit Schnurrbart, dicken Brauen, kratzbürstig an Haar und Seele, hätte er mich gerne

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