Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Schein und wenig in der Hand! Für meine sechzig Livres im Jahr, die der Herr Marquis mir zahlt, samt Kost und Logis, da tu ich Euch mehr Gutes, wie Ihr von diesen koketten Puten im ganzen Leben nicht kriegt. Und das Beste dabei, ich tu es gern, weil Ihr hübsch ausseht, Euchgut anfaßt, blitzeblank seid wie ein neuer Sou, und, was selten ist bei einem Mann: Ihr habt immer Lust.«
Von meiner Enttäuschung, den sechzehnten August betreffend, berichtete sie Greta, der einzigen von unseren Leuten, die Toinons hochmütige Art nicht übelnahm. Greta gab alles brühwarm an Mariette weiter, die wie üblich aus einer Mücke einen Elefanten machte und meine kleine Kümmernis zur großen Verzweiflung aufblähte, welche sie sogleich Geneviève de Saint-Hubert mitteilen mußte, als diese bei uns eintraf. Mademoiselle de Saint-Hubert nun hatte ein Gemüt wie Butter, das auch ebenso leicht schmolz. Sie weinte, wenn sie ein Mäuschen in den Krallen einer Katze quieken sah. An jenem Tage nun sollte ich zu ihrer Begleitung am Clavichord auf italienisch singen, eine vorzügliche Übung, sagte sie, um meine Stimmritze den Klängen dieser schönen Sprache gefügig zu machen. So nahm sie denn anmutig Platz, legte ihre schönen Finger auf die Tasten, kam aber nicht weiter. Indem sie mir ihre schwarzen Augen zuwandte, darin ein Tränchen blinkte, sagte sie, wie sehr sie meinen Kummer verstehe und dessen ganze Bitterkeit nachfühlen könne, da auch sie einem Ball hatte entsagen müssen, von dem sie sich viel erhoffte. Ich sah, welchen Vorteil diese Eröffnung mir gab. Ich senkte die Augen, stieß einen Seufzer aus, tat untröstlich. Das war für sie zuviel. Sie schloß mich in die Arme und überschüttete mich mit Küssen. Ihr mögt Euch denken, daß ich hierauf nicht etwa heiter wurde. Mit gebrochener Stimme dankte ich ihr für ihre Güte, woraufhin sie diese verdoppelte. Nach und nach, wie von soviel zärtlichem Mitgefühl besiegt, begann ich ihre Küsse zu erwidern, aber auf eine so klagende Weise, daß sie sich weder entrüsten noch gar deren Verwegenheit bemerken konnte. Wer hätte gedacht, daß ihre klösterliche Erziehung sie so unbefangen oder so scheinheilig gemacht hatte? Wir verbrachten eine gute Weile damit, daß sie mich wie ein Engel zu trösten suchte und ich ihre Tröstungen wie in tiefster Verzweiflung, aber mit Hintergedanken empfing, die mir den Himmel nicht eben gewonnen hätten.
Mitten in diesem zärtlichen Handel klopfte es an der Tür. Ich löste mich aus den hübschen Armen (wegen der Hitze waren sie nackt), sprang auf und rief »Herein!« Zum Glück war es Greta und Gott sei Dank nicht Mariette, deren scharfemBlick unsere Verwirrung schwerlich entgangen wäre. Greta war kurzsichtig und sah, wie sie oft sagte, alles nur verschwommen. Was zweifellos zu ihrer natürlichen Güte und ihren unentschiedenen Ansichten beitrug.
»Monsieur«, sagte sie, »da ist eine Art kleiner Etelmann in kroßem Aufputz; ter sagt, er kommt vom König und hat eine Potschaft für Monsieur de Siorac.«
»Laßt ihn eintreten, Greta.«
So kurzsichtig sie auch war, den Ankömmling hatte sie treffend geschildert, denn er war tatsächlich sehr jung und sehr klein, wiewohl er dem durch bedeutende Absätze und einen prächtigen hohen Federbusch aus weißen und amarantroten Straußenfedern abzuhelfen versuchte, der mit einer Perlenschließe an seinen schwarzen Biberhut geheftet war. Sein Seidenwams, seine Kniehosen und Strümpfe schimmerten in so lebhaften und so wohlabgestimmten Farben, daß ich dem erlesenen Geschmack des Trägers vielleicht unrecht täte, wenn ich sie falsch beschriebe. Doch kann ich immerhin bezeugen, daß seinem Gewand von oben bis unten nichts ermangelte – ob Borten, goldene Litzen, ob Seidenstickereien, Schnüre oder Schleifen –, alles, was der eleganteste Elegant seinem Schneider nur abverlangen konnte. Trotzdem beeindruckten mich am meisten seine Handschuhe, denn sie waren aus Samt (was mich bei der Hitze etwas unbehaglich dünkte), sie hatten große bestickte Stulpen und waren vom Handgelenk bis zum halben Ellbogen mit langen Goldfransen versehen, die bei jeder seiner Bewegungen durch die Luft schwirrten.
»Monsieur«, sagte er mit gespitzten Lippen, als wären die Wörter der französischen Sprache allzu schnöde, um dafür den ganzen Mund zu gebrauchen, »darf ich erfahren, ob Ihr in der Tat Monsieur de Siorac seid?«
»Ja, Monsieur«, sagte ich. »Der bin ich. Und dies ist Mademoiselle de Saint-Hubert, die so
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