Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Spur Bitterkeit gehört.
»Aber wem oder was verdanke ich eine so außerordentliche Beförderung?«
»Das sagt der König in seinem Schreiben. Er hat
von jenen, die er liebt,
viel Gutes über Euch gehört.«
»Madame de Guise?«
»Madame de Guise und der Dauphin.«
»Der Dauphin, Herr Vater?«
»Laut Héroard macht der Dauphin keinen großen Eindruck, weil er schlecht und wenig spricht, aber es mangelt ihm nicht an Verstand. Er beobachtet, schweigt und urteilt. Und seid gewiß, daß er Eure kleine Armbrust nicht vergessen hat, daß ihn dieses Geschenk sehr berührt und daß er dem König davon erzählt hat.«
»Verzeiht, Herr Vater, aber ich kann nicht glauben, daß ich zum Chevalier ernannt werde, weil ich dem Dauphin eine kleine Armbrust geschenkt habe.«
»Ihr habt recht, es ist nicht nur das. Der König ist ein Bourbone, und Ihr seid auch einer.«
Ich wurde rot und blieb stumm, durchaus nicht vor Verlegenheit, sondern weil es das erste Mal war, daß in unserem Haus ohne Umschweife von meiner Herkunft gesprochen wurde. Ich war so erregt, daß ich meine Hände auf den Rücken legte und sie fest verschränkte, damit sie nicht zitterten. Ich konnte damals nicht umhin, festzustellen, daß doch ein großer Unterschied zwischen einer Wahrheit besteht, die jeder kennt, ohne mit einem Wort daran zu rühren, und einer Wahrheit, die ganz plötzlich an Macht gewinnt und einen neuen Sinn allein dadurch erhält, daß man sie ausspricht.
»Wußtet Ihr das nicht, mein Sohn?«
Mein Vater drückte sich wie immer mit einem gewissen Zeremoniell aus, aber aus seiner Stimme und seinen Augen sprachen soviel Güte und Liebe zu mir, daß ich ihm am liebsten um den Hals gefallen wäre. Ich tat es nicht, aus Furcht, ihn zu verwirren.
»Doch, Herr Vater«, sagte ich, und ich empfand meineStimme dabei als ziemlich klanglos. »Ich weiß es seit meiner Kindheit. Meine Ammen redeten darüber viel in meiner Gegenwart, weil sie dachten, ich sei zu klein, es zu verstehen. Aber eines begreife ich nicht. Wie kann der König meine Herkunft bedenken, obwohl sie nicht legitimiert ist? Wie die Kirche lehrt, ist die Ehe ein heiliges Band.«
»Aber der König«, sagte mein Vater mit einem kleinen Lachen, »hat kein großes Gefühl für heilige Dinge. Wie sollte er auch, da ihn die Umstände zwangen, so oft die Religion zu wechseln? Außerdem zählt für einen Edelmann aus altem Geschlecht wie Henri das Blut mehr als eine Eheurkunde. Für ihn seid Ihr durch Madame de Guise, Eure Mutter, der Enkel von Marguerite de Bourbon und also sein Großneffe. Gleichwohl ehrt er durch diese Ernennung nicht nur sein Blut. Er ehrt auch einen Siorac. Durch die schwersten Bürgerkriege hindurch sind die Siorac nie den Sirenen der Rebellion erlegen. Sie hielten unerschütterlich treu zu ihrem König, sogar als dieser, wie es unter Charles IX. der Fall war, die Hugenotten verfolgte.«
»Bei alledem bleibt, Herr Vater, daß ich mir diese Auszeichnung nicht verdient habe.«
»Ihr habt die Zukunft, sie Euch zu verdienen. Seid ganz sicher, der König weiß, wie sehr er Euch dadurch an sich und an den Dauphin bindet.«
Wir blickten einander schweigend in die Augen, ein jeder seinen eigenen Gedanken hingegeben, die bei meinem Vater, wie mir schien, von einiger Schwermut geprägt waren, während die meinen der Zukunft entgegenstürmten. Da mir mit einem Male einfiel, wie mein Vater das königliche Schreiben als »herzlich und herrisch« bezeichnet hatte, wurde mir zugleich klar, daß der Wunsch des Königs, uns am sechzehnten August bei Madame de Guise zu sehen, einem Befehl gleichkam. Der Gedanke erheiterte mich.
»Ihr lächelt?« fragte mein Vater, eine Braue hebend.
»Ja, Herr Vater«, fuhr es mir heraus. »Soll ich Euch sagen, was ich soeben dachte? Aber ich möchte Euch nicht kränken.«
»Ihr kränkt mich nicht.«
»Gut denn, ich denke, wir gehen am sechzehnten August zum Ball.«
Mein Vater fing an zu lachen und kam auf mich zu, er umarmte mich kräftig und küßte mich auf beide Wangen.
»Eure Talente machen mich oft vergessen, daß Ihr noch ein Kind seid! Aber Ihr seid es immer weniger. Das sehe ich klar.«
***
Am sechzehnten August auf Schlag Mittag schickte Madame de Guise einen Boten mit einem Briefchen an meinen Vater, der es nach dem Lesen mir hinstreckte.
»Liebt Madame de Guise«, sagte er, »respektiert sie, aber schreibt nicht wie sie.«
Und so lautete das Billett:
Mein freud,
Sended mier mein Patnsoon um acht Ur in meinhaus. Ich
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