Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
hochhackigen Absätze zu;sie waren sehr hoch, rosenrot und mit goldenen Sporen geschmückt, und ich glaubte schon, nun wäre ich ihn los, als er mir plötzlich noch einmal seine Wespentaille zuwandte und stillstand.
»Monsieur«, sagte er mit gespitztem Mündchen, »ich bün entzückt, ün Euch oinem Mann begegnet zu soin, der su begürig üst, süch ün Vurnehmhoit zu bülden, und«, setzte er mit dem nachlässigsten kleinen Lächeln hinzu, »Ühr habt müch durch Eure Höflüchkoit vullens oingenummen.«
»Was, zum Teufel, sollte das Kauderwelsch heißen?« fragte ich, nachdem er fort war.
»Daß Ihr ihn durch Eure Höflichkeit vollends eingenommen habt. Er sagt auch ›oi‹ statt ›ei‹, sicherlich hat sein Clan das ›ei‹ ebenso geächtet!«
Über soviel Verschrobenheit lachten Mademoiselle de Saint-Hubert und ich Tränen, allerdings empfand ich bei aller Fröhlichkeit ein leises Bedauern, weil diese uns nicht mehr so nahebrachte wie unsere seligen Traurigkeiten zuvor. Wir waren darin auf einen süßen, verlockenden Hang gelangt, und keiner von uns beiden hatte sich fragen wollen, wieweit er uns führen würde. Dennoch muß sich Mademoiselle de Saint-Hubert hinterher auf einiges besonnen haben, auf ihr Alter und meines, auf die Zwänge ihrer Stellung in unserem Haus, auf die Sünde, der sie fast verfallen wäre, denn ein solcher Augenblick kehrte niemals wieder. Von da an schenkte sie mir nur mehr liebreiche Blicke und drückte mir dann und wann leicht die Hand, aber so leicht, daß ich mich immer fragte, ob ich es nicht geträumt hätte.
»Also, der König schreibt Euch«, sagte plötzlich Mademoiselle de Saint-Hubert. »Wie darf ich es jetzt noch wagen, Euch in irgend etwas zu belehren?«
»Er schreibt meinem Vater, aber wie hätte ich dem Männlein das erklären sollen? Er hätte die Botschaft gleich wüder mütgenummen.«
Wir brachen erneut in Gelächter aus, worauf mein Vater eintrat, und da er etwas verwundert schien, erklärte ich ihm den Grund. Er zuckte die Achseln.
»Solche Affektiertheiten gibt es an allen Höfen, besonders in Friedenszeiten, wenn die Edelleute das Schwert in die Scheide gesteckt haben und nicht wissen, was sie mit sich anfangensollen. Unter Heinrich III., nachdem sie weiß Gott tapfer gekämpft hatten, pflegten die Herrchen zu lispeln und bei jeder Gelegenheit zu sagen: ›Auf mein Gewissen!‹ oder: ›Es ist zum Sterben!‹ und andere Dummheiten der Art. Manchmal bringen auch die Frauen eine bestimmte Sprechweise auf und setzen sie als Machtmittel ein. Wer sich ihrer nicht befleißigt, ist nicht würdig, geliebt zu werden. Wo ist der Brief des Königs?«
»Auf dem Clavichord, Monsieur«, sagte Mademoiselle de Saint-Hubert, die meinen Vater nicht aus den Augen ließ, seit er eingetreten war, und ich spürte, daß mich deshalb einige Eifersucht stach.
Doch sowie mein Vater das königliche Siegel erbrochen hatte, entsann sie sich ihrer Manieren und ging mit einer hübschen Verneigung hinaus. Mein Vater trat des helleren Lichtes wegen ans Fenster, las die Botschaft und versank in Sinnen.
»Pierre«, sagte er nach einer Weile, »dies bedeutet Neues in Eurem Leben. Etwas sehr Gutes, auf die Dauer gesehen vielleicht auch weniger gut, wer weiß.«
Er klopfte mit dem Finger auf das Pergament.
»Dieser Brief ist der pure Henri: herzlich und herrisch. Er liebkost dich, aber wehe dir, wenn du nicht gehorchst! Lest selbst, denn in erster Linie geht dies Euch an.«
Ich weiß nicht, wo jenes Schreiben hingeraten ist, aber ich kenne es in jedem Wort auswendig und werde es nie vergessen.
Vollbart!
Der Erste im Kampf bei Ivry darf beim Ball nicht der letzte sein. Ich möchte Dich am sechzehnten August bei meiner teuren Cousine de Guise sehen und mit Dir meinen Patensohn, den Chevalier de Siorac, über den ich viel Gutes höre von jenen, die ich liebe. Henri.
»Warum«, fragte ich, »nennt mich der König denn Chevalier de Siorac?«
»Er nennt Euch nicht. Er ernennt Euch. Ihr könnt Euch wohl denken, daß der König seine Worte gewogen hat. Bisher wart Ihr ein Nachgeborener ohne Titel. Seit heute habt Ihr einen.«
»Ist das für mein Alter nicht eine sehr hohe Gunst?«
»Bei Gott! Ich war ein Nachgeborener wie Ihr, aber erst nachjahrelangen gefährlichen Missionen im Dienst Heinrichs III. wurde ich von Seiner Majestät zum Chevalier ernannt.«
Ich machte große Augen und empfand doch ein gewisses Unbehagen, denn mir schien, ich hätte aus der Stimme meines Vaters eine
Weitere Kostenlose Bücher