Der Wind bringt den Tod
gekommen, um ihren Wagen reparieren zu lassen …«?
Ihr Leben war nun einmal keine von den gut gemachten romantischen Komödien. Ihr Leben war eher ein schwermütiger Fernsehfilm ohne klare Handlung und ohne Happy End, wie er nachts auf Arte lief.
Sie hockte sich mit ihrem Tee und in Unterwäsche auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Sie blieb bei einer Auswanderersendung hängen, in der geschildert wurde, wie eine Familie aus Köln in Thailand ein neues Leben beginnen wollte. Als sie feststellte, dass sie in jeder blonden Westlerin, die auf dem Bildschirm auftauchte, Kirsten Küver und damit ein Stück sich selbst sah, fing sie an, hemmungslos zu schluchzen. Es spielte keine Rolle, wie weit man auch rannte. Vor sich selbst konnte man nirgendwohin flüchten.
95
»Kaum zu fassen, wie ungeschickt du dich manchmal anstellst.« Caro schüttelte den Kopf. Eine blonde Strähne rutschte unter dem bunten Tuch hervor, das sie sich um ihr Haar gewunden hatte. »Echt jetzt, Jule. Wie eine Klosterschülerin.«
»Ich habe dich nicht hergebeten, damit du mir Vorwürfe machst«, Jule warf eine zusammengeknüllte Serviette nach ihrer Freundin.
Draußen nieselte es schon den ganzen Sonntag über. Das Wetter lud förmlich dazu ein, den ganzen Tag dumpf vor sich hin zu brüten. Um diesem tristen Schicksal zu entgehen, hatte Jule Caro gefragt, ob sie nicht vorbeikommen wolle. Nun saßen sie bei ihr im Wohnzimmer zusammen und hatten zwei riesige Becher mit Milchkaffee vor sich auf dem Couchtisch stehen. Jule hatte Caro gerade ihr Herz darüber ausgeschüttet, wie gründlich ihr zufälliges Date mit Rolf schiefgelaufen war.
»Wie willst du morgen zur Arbeit fahren?«, fragte Caro mit vollem Mund.
»Was?« Jule hatte sie kaum verstanden.
Caro schluckte den Bissen hinunter. Als kleinen Stimmungsaufheller hatte sie einen Karton voller Natas, portugiesischer Vanillepuddingtörtchen, aus einer der vielen von ehemaligen Gastarbeitern betriebenen Bäckereien im Schanzenviertel mitgebracht. »Wie du morgen zur Arbeit fahren willst. Für mich hörte sich das eben so an, als hätte er noch den Autoschlüssel in der Hand gehabt, als du den Schwanz eingekniffen hast.«
»Hatte er auch.« Jule seufzte und rührte Zucker in ihren Kaffee. »Das ist mir heute Nacht um halb zwei auch eingefallen.«
»Und?« Caro schaute sie erwartungsvoll an.
»Zum Glück hat Rolf das gemacht, was ich an seiner Stelle auch getan hätte.« Jule dachte daran, wie sie im Bademantel durchs Treppenhaus gehuscht war, mit klopfendem Herzen und einer kleinen Hoffnung, die sich tatsächlich erfüllt hatte. »Er hat mir den Schlüssel in den Briefkasten geworfen.«
Caros Kuchengabel fiel klimpernd auf den Teller. »Was für ein Feigling! Man könnte glatt meinen, ihr wärt füreinander gemacht.«
»Danke für deine bedingungslose Unterstützung«, ätzte Jule. Sie löffelte sich eine Ladung Milchschaum in den Mund und ließ die kleinen verirrten Zuckerkristalle darin auf ihrer Zunge schmelzen. Der süße Geschmack half ihr dabei, Caros zutreffende Bemerkung zu verschmerzen. »Du hast ja auch recht. Das war schon eine reife Leistung von mir. Binnen vierundzwanzig Stunden vor gleich zwei Typen als vollkommen bekloppt dazustehen, meine ich.«
»Bekloppt?«, echote Caro. »Weil die Puppe weg war, wegen der du Blomski –«
»Smolski.«
»Wegen der du Smolski in dieses Dorf beordert hast?« Caro nahm ihre Gabel wieder zur Hand und aß ihre Nata weiter. »Glaub mir, er wird drüber hinwegkommen. Außerdem ist es ja nicht deine Schuld, dass das Ding weg war. Wenn er mehr als eine Gehirnzelle im Kopf hat, ist ihm das auch absolut klar. Und da er bei der Kripo ist, gehe ich mal hoffnungsfroh davon aus, dass er nicht der Dümmste ist.«
»Hm. Du, wo wir gerade von schlauen Männern sprechen: Hat dir dein Lothar erzählt, dass er mich letzten Sonntag mitten in der Nacht angerufen hat?«
Caro verzog das Gesicht, als wäre ihre Nata nicht mit Vanillepudding, sondern Zitronencreme gefüllt. »Er ist nicht mein Lothar. Und, nein, das hat er mir nicht erzählt. Was wollte er von dir?«
»Das ist eine richtig gute Frage.« Sie nippte an ihrem Kaffee. »Mir kam es so vor, als wollte er mich vor irgendjemandem in Odisworth warnen. Vor einem Mann.«
Caro stand auf, stellte sich auf die Zehenspitzen, reckte beide Arme in die Luft und verschlang sie in einer komplizierten Pose ineinander. »Lothar wollte dich vor einem Mann aus diesem Dorf warnen?«
»Ungelogen«,
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