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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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Jule.
    »Ansichtssache«, erwiderte Caro. »Los jetzt, besorg dir die Nummer.«
    Das Telefonat mit Caro war Balsam für Jules Nerven gewesen. Nun war sie in der Lage, den Vorfall mit der Puppe mit einer gewissen inneren Distanz zu betrachten. Natürlich war er alles andere als schön. Natürlich hatte er sie vorübergehend in helle Aufregung versetzt. Und natürlich konnte sie ihn nicht einfach ignorieren. Allerdings war ihre Idee, der Mörder, der Odisworth unsicher machte, könnte ausgerechnet sie ins Visier genommen haben, weit hergeholt, wenn nicht völlig absurd. Warum hätte er ihr eine solche Warnung wie die Puppe zukommen lassen sollen? Dadurch war sie doch nur noch wachsamer und misstrauischer. Jule hatte nach wie vor nicht den geringsten Zweifel, dass die Puppe das fiese Geschenk eines Odisworthers war, um sie loszuwerden, aber Mordlust steckte aller Wahrscheinlichkeit nach nicht dahinter. Außerdem hatte Jule in letzter Zeit ausgiebig Erfahrung mit plumpen Warnungen gesammelt. Und hatte sie sich davon einschüchtern lassen? Nein. Nicht von Eva Jepsens Gerede über Erich Fehrs’ unberechenbaren Jähzorn. Nicht von Andreas’ düsteren Aussagen über die sektenartige Abschottung der Odisworther. Nicht von Lothar Segers seltsamer Nachfrage, ob sie in Odisworth von einem Unbekannten angesprochen worden war.
    Jule verringerte ihr zügiges Tempo. Sie hatte lange nicht mehr an den nächtlichen Anruf ihres Therapeuten gedacht, und sie hatte eben die Chance verpasst, Caro direkt damit zu konfrontieren. Sie machte sich eine geistige Notiz, das befremdliche Verhalten von Lothar demnächst ihrer Freundin gegenüber zur Sprache zu bringen. Momentan hatte sie andere Probleme.
    In der Pension angekommen, griff Jule zu einer Notlüge. Es war zwecklos, Eva etwas von der Puppe zu erzählen. Sie war eine Odiswortherin, und Jule wollte nicht riskieren, dass sich im ganzen Dorf verbreitete, was die feine Dame aus der großen Stadt in ihrem Auto gefunden hatte. Sie wollte das Schwein lieber mit Smolskis Hilfe zur Strecke bringen. Also hielt sie den Blick gesenkt und fabulierte eine wenig glaubwürdige Geschichte zusammen, ihr sei auf halbem Weg zum »Dorfkrug« in den Sinn gekommen, dass sie dem freundlichen Kommissar unbedingt noch von einer Beobachtung berichten müsse.
    Der Bluff ging auf. Eva tat das, was Jule von ihr erwartet hatte. Sie sonnte sich einige Augenblicke lang in dem Gefühl, eine Lüge durchschaut zu haben, ehe sie verschwörerisch zwinkerte und sagte: »Der Herr Kommissar war wirklich ausgesprochen nett, nicht wahr? Warten Sie, ich habe irgendwo noch eine Karte von ihm.«

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    »Wer war das denn eben?«, fragte Lothar Seger. Er war nach dem Essen – Fettuccine in einer Spinatsahnesoße – für eine Viertelstunde im Bad verschwunden.
    Caro sah von der Spülmaschine auf, in die sie gerade das benutzte Geschirr räumte. »Das war Jule.« Sie wischte sich mit einem Küchentuch einen Spritzer Sahne von den Fingern. »Das glaubst du nicht. Was für kranke Gestalten!«
    »Was glaube ich nicht?« Caro musterte ihn einen Moment. Er hatte schon wieder diesen sonderbaren Gesichtsausdruck, den sie bis vor Kurzem noch nie bei ihm gesehen hatte: wie ein verunsicherter Hund, der nicht wusste, ob er zubeißen oder davonlaufen sollte. War es am Ende besser, ihm keine näheren Details über Jules Anruf zu verraten? Nein. Sie wollte keine Geheimnisse vor ihm haben. Sie wollte nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. »Jemand aus diesem Dorf, in dem sie sitzt, hat ihr eine massakrierte Barbie ins Auto gelegt.«
    Lothar sackte förmlich auf einem der Stühle am Esstisch zusammen. Er war mit einem Mal totenbleich. »O Gott, bitte nicht …«
    »Lothar«, murmelte Caro fassungslos und kniete sich vor ihm hin. Warum hatte sie bloß ihren Mund nicht halten können?
    Lothar gewann seine alte Kraft überraschend schnell zurück. Er packte ihre Hände und zog sie in die Höhe, bis ihre Gesichter dicht genug gewesen wären, um einen leidenschaftlichen Kuss einzuleiten. Er küsste sie jedoch nicht, sondern starrte ihr in die Augen. »Ruf sie sofort noch mal an. Sofort!«
    »Du tust mir weh!« Sie riss sich von ihm los und massierte ihre schmerzenden Hände. »Was ist denn los?«
    »Ruf sie an!«, brüllte er. »Ruf sie an, bevor es zu spät ist! Sag ihr, sie soll da abhauen! Jetzt gleich!«
    Caro zitterte am ganzen Leib. Wer war dieser Mann, der da am Tisch saß? Sie erkannte ihn nicht wieder. Es war fast, als wäre ein böser

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