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Der Wind bringt den Tod

Der Wind bringt den Tod

Titel: Der Wind bringt den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ole Kristiansen
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die nächsten Ausführungen leichter. »Die Pastorin hier hat versucht, den Mord als eine Art Waffe gegen mich zu verwenden. In einer Gemeinderatssitzung nannte sie einige blutige Details, um mich aus dem Konzept zu bringen. Ich würde gern wissen, ob die der Wahrheit entsprechen.«
    »Was für Details sind das gewesen?« In Smolskis Worten schwang deutliches Interesse mit.
    »Dass der Mörder dem Opfer die Brüste abgeschnitten und ihm die Augenlider an den Brauen festgemacht hat«, sagte Jule. Sie bemühte sich um einen nüchternen Tonfall, was ihr misslang.
    »Hm, wissen Sie, ich kann wirklich nichts dazu sagen«, gab Smolski zurück. »Aber sagen Sie, hat sie noch was erwähnt?«
    Jule drehte vorsichtig den Kopf über die Schulter und spähte durch die Heckscheibe in die Abenddämmerung hinaus. Sie wertete Smolskis Reaktion als Bestätigung dafür, dass die Pastorin die Wahrheit gesagt hatte. »Ist da etwa noch mehr?«
    Rauschen.
    »Sagen Sie schon, ist da noch mehr?«, wiederholte sie.
    »Verdammt«, zischte Smolski. »Ich darf dazu nichts sagen. Aber glauben Sie mir, Sie wollen das auch gar nicht so genau wissen.«
    »Doch.« Jule zog die Beine an und machte sich auf ihrem Sitz so klein wie möglich. »Wenn Sie es mir jetzt nicht erzählen, male ich mir Sachen aus, die noch viel, viel schlimmer sind.«
    »Das bezweifle ich«, erwiderte er ernst.
    »Bitte, Herr Smolski.«
    Er seufzte nur. Es schien ihm ernst: Er würde nichts sagen. Jetzt nicht. Dabei hatte Jule ihn nicht belogen: Schon vor dem schrecklichen Unfall hatte sie dazu geneigt, sich ab und an in verstörende Fantasien hineinzusteigern, sobald sie mit Berichten von Gewalt konfrontiert worden war. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sie als kleines Mädchen zu Zeiten des zweiten Golfkriegs immer wieder schreiend aufgewacht war, weil sie irgendwo die Meldung aufgeschnappt hatte, wie irakische Soldaten in kuwaitischen Kliniken angeblich die Frühchen aus den Brutkästen gezerrt und ihre Köpfe an den Wänden eingeschlagen hatten. Daraufhin hatte sie bei jedem Säugling, den sie in dieser Phase sah, sofort an rote Spritzer auf kahlen Fliesen und schwere Stiefel in einem Meer von Blut denken müssen. Sie hatte mit der Zeit gelernt, dass es besser für sie war, sich einmal intensiv mit den Fakten über eine Gräueltat auseinanderzusetzen und sie in ihr Gerüst aus Logik und Kausalbeziehungen einzuordnen. Deshalb war der Mord in Odisworth für sie besonders schrecklich: Sie war in unmittelbarer Nähe gewesen, als man die Frauenleiche gefunden hatte, aber sie wusste so gut wie nichts über den Mord. Ihre Fantasie füllte diese Lücken in ihrem Wissen nur allzu begierig.
    Ihre furchtbarsten Visionen sollten jedoch zu dem Zeitpunkt, da sie die Wahrheit erfahren würde, noch bei Weitem in den Schatten gestellt werden.

68
     
    Jule schloss die Augen. Einen endlos langen Augenblick nahm sie nichts wahr außer dem Rauschen an ihrem Ohr. Sie war nicht sicher, was sie in diesem Moment fühlte. Es war eine sonderbar ruhige Regung.
    »Hören Sie, Jule«, sagte Smolski unvermittelt. »Ich hätte ein schlechtes Gewissen, wenn ich Sie in dieser Sache mit der Puppe hängen lasse. Und außerdem schmeichelt es mir, dass Sie ausgerechnet mich angerufen und nicht einfach die 110 gewählt haben.«
    »Hm«, machte Jule. Sie war ihm dankbar für seine Offenheit, doch sie fand nicht die Worte, um ihren Dank auszudrücken. In ihrem Kopf hallten die Schilderungen der Pastorin nach und die Bilder der verstümmelten Barbiepuppe. Wer brachte so etwas nur fertig?
    »Ich sage Ihnen, wie wir es machen. Ich bin wahrscheinlich erst morgen oder übermorgen wieder in Odisworth. Dann –«
    »War es Fehrs?«, platzte es aus ihr heraus, und sie riss die Augen auf.
    »Frau Schwarz …« Smolski seufzte gequält. »Ich kann Ihnen nichts über laufende Ermittlungen erzählen.«
    »Ach?« Jule knirschte mit den Zähnen. »Sie können mich nicht ein kleines bisschen beruhigen und mir sagen, dass ich nicht im Haus eines Monsters gewesen bin?«
    »Erich Fehrs ist noch lange nicht aus dem Rennen«, räumte Smolski nach einer langen Pause ein.
    Jule wollte schlucken, doch ihr Mund war staubtrocken. Hatte sie mit einem Mann, der Frauen verstümmelte, in aller Seelenruhe über ein Grundstück diskutiert?
    »Nur weil die Leiche auf Fehrs’ Land gefunden wurde, heißt das aber noch lange nicht, dass er der Täter ist«, redete Smolski weiter. »Die Identität der Toten ist noch immer nicht geklärt.

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