Der Wind der Erinnerung
Stimme, »ich meinte natürlich Emma.«
»Schon gut.« Ich hielt ihr mein Glas hin.
Josh beugte sich zu mir und flüsterte hektisch: »Wir sind ein paarmal zusammen ausgegangen, als ich mit … ihr zusammen war. Tut mir leid.«
»Schon gut«, wiederholte ich, doch es war nicht gut.
Ganz und gar nicht.
Er hatte mich betrogen. Mich sitzenlassen. War das der Mann, den ich heiraten und mit dem ich ein Mittelklasse-Einzelkind zeugen und eine Gartenwohnung wie diese kaufen wollte?
Olivia klopfte an ihr Glas, um Aufmerksamkeit zu erregen. »Ein Trinkspruch. Auf Hughs Vierzigsten.«
»Auf Hugh«, wiederholten wir. Ich kippte den Wein hinunter. War auf dem besten Weg, betrunken zu werden.
Der Abend schleppte sich dahin. Ich nahm nur halb am Geschehen teil. Dann und wann warf ich eine Bemerkung ein, hörte aber lieber den anderen zu. Ein großer Mann mit derbem Gesicht, der am Ende des Tisches saß, prahlte eine geschlagene halbe Stunde mit seinem Immobilienbesitz. Josh hörte hingerissen zu. Mir war, als betrachtete ich das alles von außen.
»Wie bekommst du solch niedrige Preise? Nichts auf dem Markt ist so billig.«
»Ich warte nicht auf den Markt. Ich weiß, wo man Schnäppchen machen kann. Ich sage nur Konkursgericht. Die Leute sind verzweifelt, wollen unbedingt verkaufen. Habe mal ein Ferienhaus in Brighton von einer Frau draußen vor dem Gericht gekauft. Sie war ganz wild darauf, es loszuwerden.«
Josh lachte. Er
lachte.
»Das ist ein mieses Geschäft«, sagte ich zu dem Mann.
Er reckte die Schultern, als hätte ich ihn zum Kampf herausgefordert. »Das ist Business, Schätzchen. Wenn es dir nicht gefällt, musst du ja nicht mitspielen. Aber fang nicht an zu heulen wie die anderen, für die nichts abgefallen ist. Wir Übrigen sind smart genug, um zu wissen, was nötig ist.«
Ich wandte mich an Josh. »Glaubst du diesen Mist?«
Er zuckte verlegen mit den Schultern. »Es ist ein legitimes Geschäft, Em. Du weißt nicht viel darüber. Aber es hat schon etwas für sich. Wir alle tun, was nötig ist, um Erfolg zu haben. Als du noch getanzt hast, warst du genauso. Gott weiß, dass du meine Gefühle vollkommen missachtet hast, wenn du dich auf einen Auftritt vorbereiten musstest.«
Das Gespräch floss weiter. Ich saß dazwischen und wusste plötzlich mit absoluter Gewissheit, dass dies nicht meine Welt war. Dies waren nicht meine Freunde. Dies war nicht meine Zukunft, und ich hatte einen furchtbaren Fehler begangen. Ich war aus diesem Leben ausgestiegen und wieder eingestiegen, als könnte es wie früher sein. Das war es auch, nur
ich
hatte mich verändert.
»Josh«, sagte ich leise.
Er hörte mich nicht, weil er noch immer mit dem Immobilienmogul redete.
»Josh«, sagte ich lauter.
Er drehte sich zu mir. Ich sah es in seinen Augen. Auch er wusste Bescheid. Er war nicht dumm. Ich hatte mich verändert, es hatte keinen Sinn.
»Ich muss nach Hause.«
»Okay.« Er griff sich schnell sein Glas. »Ich trinke nur den Wein aus, dann fahren wir los.«
»Nein, ich meine nicht deine Wohnung. Ich meine Zuhause. Ich gehöre nicht hierher.«
Zum zweiten Mal an diesem Abend verstummte das Gespräch. Josh lachte nervös. »Hat das nicht Zeit?«
Ich schüttelte den Kopf. »Bring mich zum Flughafen. Ich gehöre nach Wildflower Hill.«
[home]
Zweiunddreißig
U m sieben Uhr morgens australischer Zeit stieg ich am Flughafen von Hobart in ein Taxi. Mein Körper hatte keine Ahnung, wie spät es war. Inzwischen war ich völlig durcheinander, doch an einem zweifelte ich nicht: dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte.
»Wohin?«, wollte der Fahrer wissen.
»Haben Sie etwas dagegen, mich bis nach Lewinford zu fahren? Sie bekommen auch ein gutes Trinkgeld.«
Er schaltete den Taxameter ein. »Zu Ihren Diensten.«
»Vorher noch nach Battery Point.«
Da ich Minas Adresse nicht mehr wusste, lotste ich den Fahrer dorthin. Monica hatte recht gehabt: Ich musste mich bei dem Mädchen entschuldigen. Ich hatte sie nicht angerufen, weil ich nicht wusste, ob sie die Entfernung nach London wirklich einschätzen konnte und überhaupt verstand, dass ich einfach dorthin geflogen war, statt bei den letzten Proben zu helfen.
Ich wies den Fahrer an, vor dem Haus zu warten, ging zur Tür und klopfte. Die Sonne schien mir warm auf den Rücken.
Minas Vater kam an die Tür.
»Hallo, Mr. Carter. Ist Mina zu Hause?«
Er runzelte die Stirn und warf einen Blick auf das wartende Taxi. »Wollen Sie sie mitnehmen?«
»Nein, nein. Ich
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