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Der Wind der Erinnerung

Der Wind der Erinnerung

Titel: Der Wind der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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von einem Kitzeln an meinem Bein. Warme Finger glitten unter meinen Rock und zwischen meine Beine. Mein Kopf fühlte sich heiß an, ich war benebelt und orientierungslos. Ich öffnete ein Auge und sah Josh neben mir auf der Couch liegen. Seine Hand glitt unter den Gummibund meines Slips.
    Ich stieß ihn weg. »Nein, Josh.«
    »Nein?« Er machte ein trauriges Welpengesicht.
    Ich musste lachen. »Nein. Ich habe den schlimmsten Jetlag meines Lebens. Du musst mir ein paar Tage Zeit geben.«
    »Du bist also zu müde? Willst du deswegen nicht?«
    Ich setzte mich hin. »Ich weiß nicht. Vermutlich schon.«
    »Und es ist wirklich nicht wegen mir und Sarah?«
    Ich dachte ernsthaft darüber nach und begriff, dass es mir ziemlich egal war, was zwischen ihm und Sarah gewesen war. Am Anfang hat es mir schon etwas ausgemacht, sehr viel sogar. Musste ich mir jetzt Sorgen machen? Ich wusste nicht, wie ich diese Frage beantworten sollte. »Nein, darüber bin ich wohl hinweg.«
    »Wo liegt denn das Problem? Du bist hier, wir sind wieder zusammen. Wir machen weiter, wo wir aufgehört haben.« Dann murmelte er mir ins Ohr: »Ich habe deinen wunderschönen Körper vermisst.«
    Was zum Teufel war nur los mit mir? Ich hatte davon geträumt, dass er genau diese Dinge zu mir sagte und mit mir tun wollte. Doch hier, in seiner Gegenwart, fühlte ich mich einfach nur unwohl. Verlegen.
    »Tut mir leid, tut mir leid. Ich fühle mich so komisch. Ich bin nicht ich selbst. Am Wochenende wird es sicher besser. Wenn wir mehr Zeit miteinander verbringen können, geht das komische Gefühl bestimmt weg.«
    »Da fällt mir was ein.« Er setzte sich hin und strich seine Krawatte glatt. »Am Samstagabend sind wir zu einer Dinnerparty bei Hugh eingeladen. Ich hoffe, es ist in Ordnung. Er feiert seinen Vierzigsten, hat es seit Monaten geplant.«
    Hugh war Joshs langweiliger bester Freund aus dem Büro. »Erwarten sie mich oder Sarah?«
    Er fand die Frage gar nicht lustig. »Dich natürlich. Ich habe allen erzählt, dass du wieder da bist, dass wir wieder zusammen sind. Da brauchst du gar nicht so bissig zu sein.«
    Ich widersprach nicht. Er war an den Barschrank gegangen und holte eine Flasche Bourbon. Dann folgte der gleiche Ablauf wie in den letzten Tagen unserer Beziehung. Wir tranken etwas und kochten zusammen, ich erzählte von meinem Tag und er von seinem. Diesmal aber hörte ich ihm zu, gab mir richtig Mühe. Ich wusste, dass ich vor der Trennung nie richtig zugehört hatte und nur mit mir beschäftigt gewesen war. Diesmal war ich fest entschlossen, es besser zu machen.
    Doch zu meiner großen Enttäuschung stellte ich fest, dass Josh eigentlich nichts Interessantes zu erzählen hatte.
     
    Zwei Tage vergingen, und keine einzige alte Freundin rief zurück. Da begriff ich, dass ich eigentlich gar keine alten Freundinnen hatte. Ich machte ihnen keine Vorwürfe, so lief es eben in der Ballettszene. Wir alle versuchten nur, voranzukommen, und taten, als hätten wir einander gern, obwohl wir in Wahrheit über Leichen gegangen wären, um Erfolg zu haben. Wir waren nie wirklich befreundet gewesen.
    Was also sollte ein Mädchen ohne Freundinnen tun? Es fuhr mit der U-Bahn nach St. Pancras, um in der British Library nach Informationen zu suchen, die in Australien nicht verfügbar waren. Ich dachte mir, dass Raphael Blanchard womöglich in irgendeinem obskuren Buch erwähnt wurde.
    Ich zeigte Tasche und Mantel vor und beantragte einen Leserausweis. Nachdem ich meine Bücher zusammenhatte, setzte ich mich in den Lesesaal und blätterte sie durch. Er war einer von drei Raphael Blanchards, doch es gelang mir, den richtigen in einem Buch aus den Fünfzigerjahren über den Landadel aus Warwickshire aufzuspüren. Ich gebe zu, dass ich insgeheim hoffte, sein Spitzname sei Charlie gewesen, dass Grandma eine Affäre mit ihm gehabt hatte und so an die Farm gekommen war.
    Auf Seite 181 fand ich die Antwort, die mich allerdings sehr überraschte.
     
    Die Familie Blanchard unternahm den erfolglosen Versuch, sich landwirtschaftlich in den Kolonien zu etablieren. Raphael Blanchard wurde von seinem Vater nach Tasmanien (ganz im Süden Australiens, eine ehemalige Strafkolonie) geschickt, um eine große Schaffarm zu erwerben. Das Geschäft gedieh jedoch nicht, und er kehrte 1935 nach Warwickshire zurück. Es gab Gerüchte, er habe die Farm beim Pokern verloren, doch die Familie bestand darauf, er sei aus gesundheitlichen Gründen nach England zurückgekehrt.
     
    Am liebsten

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